Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman
drei Stufen, und sie stand darin. Die Aussicht war nicht besser als von zahlreichen anderen Plätzen im Haus und Garten. Viel mehr als in ihm herumstehen konnte man ohnehin nicht tun, weil er nicht möbliert war. Ãberragend war allein die Symbolik des Betretens, stand der Pavillon doch für das Verbotene. Wie hatte Lucas es ausgedrückt? Ein Geschenk des Feindes.
Elsa war den Dämonen stets erlegen, sie spazierten in ihrem Leben ein und aus wie Diebe in einem Store, und sie hatte ihnen auch noch die Tür aufgehalten. Elsa hatte sich Henning genommen â und war von ihm abhängig geworden. Elsa hatte sich Titus verschrieben â und konnte nicht mehr von ihm ablassen. Dem Opium, dem Alkohol â so viele Feinde hatte sie schon geliebt.
Dort, im Pavillon, durchdachte sie beim Blick über die Bay ihr Leben. Was erhoffte sie sich? Max war verloren, damit musste sie sich endlich abfinden, und die Kamelienmänner hatten die Lücke, die offene Flanke, nie schlieÃen können. In den Armen vieler hatte sie ein Vergessen gefunden, das einige Stunden anhielt, oft auch eine Nacht. Nie war es von Dauer gewesen. Wie hätte es auch anders sein können? Hundert Schlucke Wasser vermochten den Durst zu stillen, nicht jedoch den Hunger.
Hitoshi war charmant und hatte zugleich eine Tiefe, die Elsa geradezu magisch anzog.
Mehrmals machte sie den Versuch, den Geist mit guten Argumenten loszuwerden, von denen es mehrere gab. Er war der Feind. Sie wusste nahezu nichts über ihn â dass er grünen Tee, Debussy und Gärten mochte, war schon das meiste. Sie hatte erst eine einzige Stunde mit ihm verbracht.
Doch es war von jeher die Eigenart der Geister, gegen die Vernunft immun zu sein. Ebenso hätte man versuchen können, Wahnsinn mit Witzen zu heilen.
» Ich habe Sie nicht erwartet « , sagte Hitoshi.
» Oh doch, das haben Sie « , erwiderte Elsa, was eine Replik war auf die Bemerkung, die er einige Wochen zuvor in ihrer Küche gemacht hatte. » Ich weià alles über Sie. «
Er lächelte. Elsa sah ihn gerne lächeln.
» Kommen Sie herein. «
Es war nicht leicht gewesen, zu ihm vorzudringen. Die Bungalowanlage war mit Zäunen und Stacheldraht gesichert, und es war fast unmöglich, ohne Passierschein und Japanischkenntnisse an den Wachtposten vorbeizukommen. Es hatte Elsa mehrere Stunden Geduld und Beharrlichkeit abverlangt, bis man ihr â lange nach Sonnenuntergang â bescheinigte, weder eine Spionin noch eine Attentäterin zu sein. Dennoch hatten sie auf dem Weg zum Bungalow des Generals zwei schwer bewaffnete Infanteristen begleitet, die Hitoshi nun mit einer Handbewegung fortschickte.
Er schloss die Tür. » Ihr Gegenbesuch ist das einzige Vergnügen am Ende dieses langen, arbeitsreichen Tages. Was darf ich Ihnen anbieten? «
» Einen Eistee, eine Ballade von Chopin und ein Geheimnis. «
» Mit wenig geben Sie sich wohl nicht zufrieden? «
» Was erwarten Sie von einer Prinzessin, einer Kaiserin, einer lustigen Witwe � «
» Da Sie gerade die lustige Witwe erwähnen, Eistee habe ich leider nicht hier. Ich mache uns einen Gin Pahit, wenn es Ihnen recht ist. «
» Sie kennen Gin Pahit? «
» Als ich kürzlich in einem dieser kleinen, widerlichen Agentenberichte las, dass Sie diesen Drink zum Kultgetränk der Südsee gemacht haben ⦠«
» Der britische Schriftsteller Somerset Maugham und ich « , korrigierte sie.
» ⦠habe ich mir die Rezeptur und die Zutaten besorgt, nur für alle Fälle. Ich habe ihn sogleich probiert. Er war ⦠ein wenig stark. Vielleicht mein Fehler. «
» Wenn sich Ihnen die FuÃnägel aufgerollt haben ⦠«
» Ja genau, jetzt, da Sie es sagen. Es kam dem sehr nahe. «
» Gratuliere, dann haben Sie alles richtig gemacht. Ich könnte ihn blind zubereiten. Gin ist der einzige Alkohol, den ich überhaupt noch trinke. Einen vor und einen nach dem Abendessen. «
» Diesen Dämon haben Sie also unter Kontrolle. «
Sowohl Hitoshis Wortwahl als auch die Betonung lieÃen Elsa aufmerken.
» Von einem Dämon spricht nur derjenige, der selbst einen hat « , sagte sie.
Hitoshi überreichte ihr den Glaskelch. » Gin ist es in meinem Fall jedenfalls nicht. « Er verzog den Mund beim Trinken. » Einen vor und einen nach dem Dinner, haben Sie gesagt? Wieso Sie noch leben, ist mir ein Rätsel. «
Elsa
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