Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman
lachte, und Hitoshi stellte sein Glas neben einem riesigen neunarmigen Kandelaber auf dem Klavier ab, das Elsa bisher entgangen war. Es stand in einer dunklen Ecke, die der General nun mit Kerzenlicht erhellte. Eine Minute später fing er an zu spielen.
Als Elsa sich eine Ballade gewünscht hatte, hatte sie an ein Grammophon gedacht. Es war absurd, dass ein japanischer General in der Südsee Chopin spielte, aber es passierte vor Elsas Augen, die den Blick nicht von diesem Mann abwenden konnte. Hitoshis feine Gesichtszüge wirkten im Kerzenlicht noch weicher, und seine schönen schlanken Hände glitten elegant über die Tasten.
Dieser Mann ist nicht das Regime, dachte Elsa. Er war kein Schlächter, kein gewissenloser Aggressor. Seine Politik war wie sein Klavierspiel auf Harmonie bedacht. Das Leben in der Stadt hatte sich unter seiner Ãgide normalisiert. Wem tat er weh? Niemandem.
Nichtsdestotrotz war er der verlängerte Arm der japanischen Armeeführung. Er war das Gesicht des Krieges, der Besatzung.
Plötzlich hielt Elsa die Ungleichheit dessen, was sie sah, was sie fühlte und was ihr Kopf ihr befahl, nicht mehr aus. Sie wandte sich ab und ging auf die Terrasse, wohin ihr Chopins Musik folgte. Obwohl sie früher schon ein paarmal die Bungalowanlage besucht hatte â um einen Kamelienmann zu treffen â, war sie doch immer wieder von dem Zauber dieses Ortes überrascht. Dort, auf halber Höhe des Hügels, war man hoch genug, um die eindrucksvolle Schönheit der Matupi Bay und der sie umgebenden Berge zu erfassen. Im Gegensatz zum Haus der blauen Schmetterlinge jedoch war man nahe genug am Meer, um das Rauschen der Brandung hören und die vom Mondlicht erhellte weiÃe Gischt sehen zu können. Jetzt am Abend verströmte der vor der Terrasse gepflanzte Jasmin sein Parfüm. Jeder Bungalow war von anderen Pflanzen umgeben â Bougainvillea, Kamelie, Goldtrompete, Teestrauch, Flamboyant, Benzoe â, demnach war die Wahl Hitoshis wohl nicht zufällig auf dieses Haus gefallen.
Er hatte die Ballade beendet. Eine Minute lang war es ruhig, dann hörte Elsa Schritte.
» Bitte, für Sie « , sagte Hitoshi und überreichte ihr einen Stapel Papiere. » Das sind die Original-Gerichtsakten Ihres Prozesses, den unsere kleine Invasion gerade noch rechtzeitig unterbrochen hat. Kopien gibt es nicht. Machen Sie damit, was Sie wollen. «
Elsa war sprachlos. Ohne diese Akten war eine spätere Wiederaufnahme des Prozesses so gut wie ausgeschlossen. Mehr noch, ganz oben auf dem Stapel lag das Dokument, das bewies, dass Elsas Ehe mit Henning nicht annulliert worden war.
» Eine Hausdurchsuchung bei Ihrer guten Freundin Mrs. Malone hat es zutage gefördert « , erklärte Hitoshi.
» Ich ⦠ich weià nicht, was ich sagen soll. Ich bin hergekommen, um Ihnen für Ihre Gefälligkeiten zu danken, und nun beschenken Sie mich ein weiteres Mal. «
» Nein, das ist nicht der wahre Grund, wieso du zu mir gekommen bist « , sagte er und sah sie innig an.
Abwechselnd hatte Elsa gehofft und befürchtet, worauf dieser Abend hinauszulaufen drohte. Jeder Schritt, jeder Augenblick, der sie der Begegnung mit Hitoshi näher gebracht hatte, war zugleich von freudiger wie ängstlicher Spannung beherrscht gewesen.
» Wir sollten das lieber nicht tun « , sagte sie.
» Was? «
» Uns näherkommen. «
» Zu spät. Gefühle haben keinen Pass, Elsa. Hätten wir uns vor einem halben Jahr getroffen ⦠«
» Wäre es heute auch nicht leichter. «
Er ging in den Bungalow und kam sogleich mit dem Kandelaber zurück, auf dem neun Kerzen brannten.
» Ich war nie verheiratet « , sagte er, weil ich nie die Richtige gefunden habe. Zum Vergnügen hier und da eine Geisha, mehr nicht. Manchmal musste ich ein ganzes Jahr sparen, um sie mir leisten zu können, nur weil ich nicht zu einer gewöhnlichen Prostituierten gehen wollte. Verliebt war ich nie. Bis ich dich traf. Versteh mich bitte nicht falsch. Ich verlange keine Gegenleistung, keine Belohnung von dir. Aber ich müsste mich schon sehr täuschen, wenn du nicht dasselbe fühlst wie ich. «
» Für dich ist es leichter « , sagte sie. » Sich als Sieger mit den Besiegten einzulassen ist etwas ganz anderes als umgekehrt. «
»Deswegen habe ich ja auch gewartet, dass du zu mir kommst. Im Grunde hattest du dich längst für mich
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