Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman
einer lebenswerten Stadt. Wir haben mit einer Ausrede abgelehnt. In Wahrheit wäre es uns zuwider, die Besatzer zu bedienen.
Max und Iolana wechselten einen Blick, der Elsa stutzig machte. Eine Art von Absprache, von geheimem Einverständnis lag darin.
» Am Ende haben wir uns anders entschieden « , orakelte Iolana. » Es gibt mehr Gründe, die für eine Wiederaufnahme des Barbetriebs sprechen als dagegen. «
» Dasselbe gilt für den Pavillon « , wandte Elsa ein. » Ihn abzureiÃen birgt mehr Gefahren als Nutzen, es käme einer Kriegserklärung an General Eo gleich ⦠mit unabsehbaren Folgen. «
» Dieser Eo ist tatsächlich anders, als zu befürchten war « , stimmte Max ihr zu, wofür Elsa ihm hätte dankbar sein sollen. Trotzdem wäre es ihr lieber gewesen, er hätte gegen den General gesprochen. Sein Urteil wog viel.
» Und natürlich « , fügte er hinzu, » lässt sich ein gewisser Umgang mit den Besatzern nicht verhindern, so ist das nun mal. «
» Meinetwegen « , stimmte ihm Paulette widerwillig zu. » Freundschaften mit den Japanern sollten wir jedoch unbedingt vermeiden, geschweige denn « , sie sah Elsa eindringlich an, » mehr. Wir befinden uns wegen dieses Pavillons und dem zur Verfügung gestellten Hotel hart an der Grenze zur Kollaboration. Noch haben wir sie nicht überschritten, und ich bin regelrecht froh, dass die Japaner zahlreiche unserer Plantagen auf von ihnen besetzten Inseln beschlagnahmt haben. Sind wir uns also einig « , wieder sah sie Elsa an, » dass wir auf weitere Gunstbezeugungen des Regimes und für das Regime zukünftig verzichten? «
Alle nickten. Nach kurzem Zögern nickte auch Elsa.
Einige ruhige Wochen vergingen â äuÃerlich ruhig. Max, Iolana und Paulettes Kinder arbeiteten im Café, das sich nach und nach füllte wie ehedem. Die Einwohner von Port Rabaul fanden langsam wieder Gefallen am Ausgehen, und an die Stelle der fehlenden Touristen traten die japanischen Offiziere. Alles in allem kamen die Eroberer und die Eroberten leidlich miteinander aus. Paulette verwaltete die Ãberreste des Plantagenimperiums, was angesichts der chaotischen Situation im Pazifik eine echte Herausforderung war. Die Kommunikation zu anderen Inseln brach fast völlig zusammen, das Versenden von Dokumenten war ein Roulettespiel, weil man nie sicher sein konnte, dass der Postfrachter nicht versenkt wurde. So manche Telegrafenstation antwortete plötzlich nicht mehr, und am Funkgerät meldete sich ein Japaner, wo gestern noch ein Brite, Amerikaner oder Franzose gesessen hatte. Paulette verschickte alles doppelt und dreifach, wobei ihr nicht nur eine professionelle Hilfskraft, sondern auch Mele zur Hand ging, die sich mit zwei Fingern an der Schreibmaschine bewährte. Am meisten machte ihr jedoch zu schaffen, dass ihr die Zigarren ausgingen, daher fluchte sie allein deshalb auf die Japaner.
Auch Elsa half ihr von Zeit zu Zeit, war aber für Büroarbeiten nicht gut zu gebrauchen. Wenn es um den Garten ging, machte ihr hingegen keiner etwas vor. Sie jätete Unkraut, schnitt die Sträucher, legte neue Wege an, machte Brotaufstriche aus selbst geernteten Acerolakirschen und kultivierte Feigenbäume, weil die Paradiesvögel, die Keanu so sehr mochte, die Bäume besonders gern aufsuchten ⦠Sie war von morgens bis abends mit angenehmer Arbeit beschäftigt, und man hätte meinen können, sie wäre ausgeglichen.
Das Gegenteil war der Fall. ÃuÃerlich gelassen, fast stoisch, tobten in ihr die Emotionen. Hitoshi Eo spukte wie ein Geist in ihrem Kopf, in ihrer Brust. Er war ständig anwesend. Er lächelte. Er sah sie an. Aber warum? Wieso gerade er? Auf der Suche nach der Antwort beschäftigte sie sich noch mehr mit ihm als ohnehin.
Der Pavillon lieferte ihr immerhin zum Teil eine Erklärung. Als jugendliche Frau hatte sie sich eine Zeit lang der Vorstellung hingegeben, den ersten Kuss in einem Pavillon von einem leidenschaftlichen Draufgänger zu erhalten. Wochenlang vermied sie, das Gebilde auch nur anzusehen, und wenn es doch mal passierte, blickte sie rasch woanders hin, wie eine Nonne, die nach einem unzüchtigen Gedanken beim Rosenkranz Zuflucht sucht.
Nach einiger Zeit aber betrachtete Elsa den Pavillon immer öfter. SchlieÃlich, als sie einmal ganz allein im Haus war, betrat sie ihn.
Eigentlich war es keine groÃe Sache â
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