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Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Titel: Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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dabei gedacht hätte. Manchmal, wenn die Wirkung des Opiums nachließ, erschrak sie über sich selbst, aber eine weitere Pfeife lenkte ihre Gefühle sogleich wieder in ruhiges Fahrwasser.
    Kurz vor der Einfahrt in den Indischen Ozean entdeckte Elsa endlich jenes Blau am Himmel, das sie in Europa vergeblich gesucht hatte und das sich im wie Satin schimmernden Meer widerspiegelte. Bald kamen all die anderen Farben hinzu, die Rosentöne am morgendlichen Horizont, das schweflige Abendlicht und, in weiter Ferne, die safrangelben Küsten Arabiens und Ceylons. Als endlich die ersten Delphine das Schiff eskortierten, begann Elsa ihre Kleiderkoffer auszumisten. Sie beschenkte eine vor Entzücken juchzende Chambermaid und verbrachte die meiste Zeit des Tages in leichten Musselinkleidern an Deck.
    Dort lernte sie Thierry kennen, einen bezaubernden französischen Biologiestudenten, der alles über Schmetterlinge wusste.
    Â» Thierry, Sie müssen mir helfen. Es gibt einen ganz bestimmten blauen Falter, den ich schon als Kind geliebt habe, aber keiner konnte mir je sagen, wie er heißt. «
    Kein Problem, Thierry hatte ein dickes Buch dabei. Im Schatten eines weißen Schirmes neigten sie sich auf dem Sonnendeck einander zu und gingen gemeinsam die Abbildungen durch. Zwischendurch, mehr oder minder heimlich, musterte Elsa sein Profil. Irgendwann in ferner Zukunft würde sie sich an ihn zurückerinnern und jemandem von ihm erzählen: Es war im Indischen Ozean, wir saßen unter einem weißen Schirm, vom Wind umschmeichelt, als Thierry mir den Namen des blauen Schmetterlings enthüllte: Papilio ulysses , der Odysseusfalter. Eine Stunde später haben wir uns in seiner Kabine geliebt.
    Vielleicht würde sie auch alles durcheinanderbringen. Bereits jetzt, nur eine Woche nach Alexandria, verblasste das Gesicht des Amerikaners immer mehr, und es konnte gut sein, dass sie in einem Monat Mühe hätte, sich zu erinnern, ob er Herman, Herbert oder Harold geheißen hatte.
    Sie wusste sehr gut, warum sie mit ihm geschlafen hatte – nicht trotz, sondern wegen ihrer Schwangerschaft. Während sie sich liebten, war es ihr vorgekommen, als würde das Kind in ihr ein zweites Mal gezeugt, so als erhielte es eine neue Identität allein dadurch, dass ein anderer Mann in Elsas Körper eindrang. Jemand, den sie kaum kannte und nicht liebte. Ihr war es lieber, irgendein Herbert oder Thierry wäre der Vater als Henning.
    Natürlich dachte sie auch an Max, an eine Rückkehr in seine Hütte. Wenn sie ihn in Samoa kennengelernt hätte, vor Henning … Ein Leben mit Max – das wären Jahre an einem pazifischen Gestade gewesen, das wäre eine Bucht, irgendwo, das Herumreisen mit einem kleinen Seesack, barfuß laufen, Tausende Menschen treffen, tausendfache Dankbarkeit bekommen, die vorüberziehenden Wale beobachten, die Füße ins Wasser halten, Liebemachen in der Strohhütte …
    Doch Elsa hatte Henning kennengelernt, hatte von ihm geliebt werden wollen, hatte ihn geliebt und ihm die Muskatnuss gegeben. Es war gewesen, als hätte sich die Sehnsucht eines ganzen jungen Lebens voll auf ihn konzentriert, und nun war er verloren. Von vorne anzufangen und Max zu lieben – hatte sie dafür noch die Kraft? Nein. Sie fühlte sich aufgebraucht und leer. Sie wollte nicht mehr lieben, nicht auf diese intensive Weise.
    Immer wieder gingen ihr Max’ Worte beim Abschied durch den Kopf: eine freie Frau. Ja, das wollte sie von jetzt an sein. Frei. Ohne aufopfernde Liebe. Ohne die bigotten, heuchlerischen Konventionen der Gesellschaft. Ohne die weiblichen Tugenden, die ihr stets eingebläut worden waren: Hingebung, Bescheidenheit, Gehorsam, Disziplin, Rücksicht … An all das hatte sie sich gehalten, und wie war es vergolten worden?
    Elsa genoss es, mit diesen fremden Männern intim zu werden, die sie begehrten, anhimmelten. Sie war ohnehin so gut wie vogelfrei, warum sollte sie dann nicht auch die Vorteile eines solchen Daseins genießen! Eine Sünde mehr oder weniger, wer kam da noch mit …
    Die meiste Zeit war Elsa gelöst und glücklich, Warwick sei Dank. In seltenen Momenten schimmerte unter dieser Seligkeit jedoch eine grauenhafte Fratze durch. Es war die Angst vor dem, was sie erwartete, wenn die » Pitcairn « erst einmal in Singapur angelegt hatte. Am liebsten wäre Elsa für immer auf dem Schiff mit seinen unerschöpflichen

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