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Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman

Titel: Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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    Titus Warwick redete nicht freizügiger – oder ordinärer, je nach Standpunkt –, als er es sonst tat. Natürlich wollte er eine in Konventionen erstarrte Gesellschaft damit reizen, aber die Provokationen waren für ihn schon so sehr Routine, dass er sich kaum noch daran erfreute. An diesem Tag jedoch, Max gegenüberstehend, blitzte ihm der Schalk förmlich aus den Augen. Nicht nur der Spaß an der Provokation, sondern auch am Spiel. Er hatte seine drei Frauen eindeutig als Huren klassifiziert, die er sich nehmen konnte, wie, wann und wo er wollte. Sie waren die Nymphen und er der Satyr.
    Was würde nun passieren? Würden sie ihn zurechtweisen, gar verlassen? Würde Max ihn mit einem einzigen Kinnhaken niederschlagen?
    Elsa begriff, dass Titus spielte, dass er etwas wagte. Sein siegessicheres Lächeln sprach Bände. Er und Max musterten sich einige Sekunden lang.
    Dann wandte der Mediziner sich ihr zu. Sein Blick fragte nach ihr. Elsa, fragte er. Elsa, sag etwas.
    Es hing von ihr ab, wie er reagieren würde. Er ließ ihr die Wahl, und sie erschrak, weil sie zum ersten Mal begriff, dass sie nicht mehr Herrin über ihren Körper und ihre Gedanken war – und ihre Wahlmöglichkeiten auf eine zusammenschrumpften. Damals in Samoa hatte sie noch die Wahl gehabt und sich falsch entschieden. Später, bei ihrer Rückkehr aus Deutschland, hatte sie sich fallen lassen wollen, hatte jemanden gebraucht, der ihr ein weiches Bett zur Verfügung stellte und ihr alle Entscheidungen abnahm oder sie vielmehr überflüssig machte. Über ihren Körper jedoch wollte sie die Souveränität behalten, gerade weil ein neues Leben darin heranwuchs, und ihr Geist sollte wach und stolz werden, um sie in Zukunft vor weiteren Hennings zu bewahren.
    Was passierte stattdessen? Max forderte sie auf, ihn zu lieben, mit ihm zu gehen – und sie ließ sich von einem kleinen Gegenstand, der sich in ihrem Zimmer befand, daran hindern. Elsas Gedanken waren Sklaven ihres Körpers, und ihr Körper unterstand den Tränen der Mohnblüte.
    Max atmete tief durch, seine Augen glänzten. » Hoheit, Sie sind gesund, soweit ich das beurteilen kann. Sie sollten etwas mehr essen, Sie sind zu mager. Ich werde in zwei Wochen zur nächsten Untersuchung vorbeikommen, wie üblich. Guten Tag. «
    Wieder versuchte Elsa, etwas zu sagen, und wieder scheiterte sie.
    An jenem Abend ließ sie das Opium weg, doch sie konnte nicht einschlafen und wälzte sich bis fünf Uhr morgens im Bett hin und her, gequält von Selbstvorwürfen. Dann öffnete sie die bewusste Schublade …
    In den zwei Monaten, die bis zur Geburt vergingen, wechselten Max und Elsa nicht ein einziges privates Wort. Trotzdem – oder gerade deswegen – bereitete sie sich auf jedes Zusammentreffen mit ihm vor, indem sie eine morgendliche Extrapfeife rauchte, die ihre Aufgeregtheit stark milderte. Es war eine bittere Ironie, dass ausgerechnet derjenige, der ihr als Einziger auf der Welt vielleicht hätte helfen können, die Abhängigkeit zu überwinden, diese unwissentlich verstärkte.
    Die Geburt verlief ohne Komplikationen. Elsas kleiner Sohn war kerngesund. Drei Frauen und zwei Männer hielten den strammen Jungen abwechselnd im Arm. Iolana hatte heimlich ein Kind abgetrieben und war Mutter eines Kindes, das sie verleugnete, Paulette war aufopferungsvolle Mutter zweier Kinder, wovon die anderen jedoch nichts ahnten, Elsa hatte gerade das Kind zur Welt gebracht, dessen Vater sie verlassen hatte und am anderen Ende der Welt lebte, und der Arzt, der die Geburt überwachte, liebte die junge Mutter. Damit nicht genug, spielte sich diese Szene im Haus des Mannes ab, der alle drei Frauen zu seinen Geliebten gemacht hatte. Es war grotesk. Und bei aller Freude zugleich beklemmend für jeden, der noch einen Rest an Sensibilität besaß. Somit war Titus der Einzige, der sich dabei rundherum wohlfühlte.
    Paulette kannte sich in den Wochen und Monaten danach manchmal selbst nicht mehr. Woran lag es, dass sie anfing, Elsa zu mögen, so wie sie zuvor schon für Iolana freundschaftliche Gefühle entwickelt hatte? Vielleicht wegen des kleinen Keanu, der jede von ihnen mit der gleichen Inbrunst anlächelte, so als hätte er drei Mütter? Irgendwie war es tatsächlich so. Elsa teilte den Jungen mit Iolana und Paulette. Bei Iolana hatte sich sogar Muttermilch gebildet, und Elsa hatte

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