Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman
Nicht in dem Bericht steht allerdings, wieso der Mann dich verfolgt hat und wer er ist. «
Die Polynesierin schwieg.
» Hm, wie du meinst, Chérie. Es wird dich aber vielleicht interessieren, dass der Detektiv den Mann überhaupt erst nach Port Rabaul gebracht hat. «
Iolana glaubte ihr nicht. Paulette konnte ihr jedoch die entsprechende Passage zeigen.
Indes hatte Elsa das Gefühl, eine Schlinge lege sich um ihren Hals. Sie hörte Paulette und Iolana wie aus groÃer Entfernung miteinander reden. Irgendwann stand sie auf, womit sie Paulettes Aufmerksamkeit wieder auf sich lenkte.
Die Französin ergriff Elsas Hände. » Du musst von dem Zeug loskommen, Chérie. «
» Es tut mir gut. «
» Es bringt dich um. «
» Was verstehst du schon davon? «
» Ich habe in Kimbe Dutzende Menschen daran zugrunde gehen sehen. Und mit Titus verhält es sich wie mit dem Opium: Er lächelt dich an, während er dich auslutscht. «
Mit zittriger Hand führte Elsa ihr Glas zum Mund und leerte es bis auf den letzten Tropfen. Sie war dabei, sich nachzuschenken, als Paulette ihr erst den Kelch aus der Hand und gleich danach den ganzen Kübel vom Tisch fegte.
» Mein Gott, sieh dich doch mal an « , rief Paulette. » Du kommst mir seit deiner Ankunft vor wie eine Putte, die auf einer Wolke schwebt und auf die Erde herablächelt ⦠eine Putte mit Champagnerkelch statt Trompete. Nicht nur deine Sichtweise ist rosa, auch deine Wangen sind es, genau wie deine Kamelien und deine beschissenen Gin Pahits. Manchmal bist du so ⦠so verdammt gelassen, dass man sogar eine Kanone neben dir abfeuern könnte, ohne dass du zusammenzucken würdest. Das ist nicht mehr normal. «
» Wer bist du, dass du mir vorzuschreiben wagst, wie ich mein Leben zu führen habe? «
» Es ist nicht dein Leben! « , schrie Paulette und packte sie an den Schultern. » Es ist das Leben von diesem Teufel, der dir Tag für Tag sein Gift injiziert. «
Elsa hielt sich die Ohren zu.
Paulette riss ihr die Hände herunter. » Wir müssen zusammenhalten. Nur wenn wir ⦠«
Mehr hörte Elsa nicht. Sie rannte ins Haus und holte die Opiumpfeife hervor.
Elsa hatte geglaubt, solche Tage lägen hinter ihr â Tage zitternder Hände, Tage des Selbstzweifels, Tage des Zweifels an den Männern, an die sie sich anhängte. Monatelang hatte sie sich in einer Blase des Wohlgefühls aufgehalten, gut versorgt, abseits irdischer Schwierigkeiten, fern der Vergangenheit. Sie hatte Henning wegen seiner Schönheit und Jugend geliebt, aber auch wegen des Versprechens, sie in ihre zweite Heimat zu bringen, und in gewisser Weise hatte sie sich auch Titus als Gegenleistung für ein Versprechen verschrieben, anheimgegeben. Er sollte ihr und ihrem Sohn Schutz geben. Dafür war sie bereit gewesen, ihren Stolz aufzugeben und die gesellschaftlichen Konventionen zu verlassen. Dass Titus sie nahm, wann und wie es ihm beliebte, hatte sie nur am Anfang gestört, später nicht mehr. AuÃerdem war er kein Ekelpaket. Die meiste Zeit war er durchaus unterhaltsam. Und er behandelte Keanu gut, ihren lieben kleinen braunen Knaben, der als mittelloser Mischling nichts zu lachen, aber als Patenkind eines Multimillionärs alle Möglichkeiten hatte. Es war alles eine Frage der Sichtweise, und Elsa hatte sich entschieden, Titus als Schutzherrn und nicht als Haremshalter zu betrachten. Sie hatte zu ihm und ihrer Rolle gestanden, hatte Myrtle Maloys Blicken standgehalten, war mit der gröÃten Selbstverständlichkeit in den Läden von Rabaul einkaufen gegangen und hatte dem Geflüster hinter ihr zunehmend weniger Beachtung geschenkt, und wenn doch, dann mit einem gewissen Trotz.
Nur eine einzige Sache hatte sie nicht wieder fertiggebracht: Max in die Augen zu blicken, ihm zu begegnen. Vor Keanus Geburt war das noch möglich gewesen, weil sie da noch nicht mit Titus geschlafen hatte. Inzwischen war das unvorstellbar, es jagte ihr Schauer der Scham durch den Körper, daher bat sie stets Iolana oder Paulette, den kleinen Keanu zur ärztlichen Untersuchung zu bringen.
Ihre Hinwendung zu Titus war die an einen allmächtigen, wohlmeinenden, sich um alles kümmernden Patron. War sie nach allem, was sie von Paulette erfahren hatte, enttäuscht worden, so wie damals von Henning? Erneut fiel es ihr schwer, das Bild zu verwerfen, das sie von ihrem Beschützer hatte, und
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