Das Haus der blauen Schmetterlinge - Roman
sie. Elsa gab ihr den Namen Emma, siedelte sie in eine groÃe Voliere um und verschaffte ihr einen männlichen Partner. Emma wurde begattet, legte Eier, brütete sie aus und zog die Jungvögel auf, bis der Vater den Küken zu gegebener Zeit Flugstunden unter freiem Himmel erteilte. Eines Nachmittags flogen er und die Jungschar in den Wald â und kehrten nicht mehr in die Voliere zurück. Emma blieb, wo sie war. Von da an hatte der fröhliche Gesang des Vogels in Elsas Ohren immer auch einen traurigen Beiklang, was ihr im Herzen wehtat. Sie kümmerte sich umso zärtlicher um ihn.
Kurzentschlossen übertrug Elsa Paulette die Verwaltung der Finanzen.
» Ich habe nicht die Absicht, sparsam zu leben, daher ist es deine Aufgabe, unser Vermögen auf gleichem Niveau zu halten und vielleicht sogar zu vermehren. «
Paulette war vor Freude ganz aus dem Häuschen und konnte ausnahmsweise ihre Rührung nicht verbergen, was wiederum Elsa glücklich machte. Sie war sich zwar über das kaufmännische Talent der Französin nicht im Klaren, und es beinhaltete ein gewisses Risiko, ihr neunundfünfzig Millionen Pfund anzuvertrauen. Aber es war immer Paulettes gröÃter Wunsch gewesen, Geschäfte zu machen und Geld zu verdienen.
» Was ist dein gröÃter Wunsch, Iolana? « , fragte Elsa.
Die Polynesierin musste erst nachdenken. Aufgrund ihrer Herkunft hatte sie immer schon kaum Wünsche gehabt. Die Frauen und Männer der kleinen, meist isolierten Inseln kamen ohne Zahlungsmittel aus und lebten fast ausschlieÃlich von dem, was das Meer und der Wald hergaben. Nahezu alles, was sie brauchten, fertigten sie selbst.
Nach drei Tagen wünschte Iolana sich ein Baugrundstück am Strand. Noch machte sie ein Geheimnis daraus, was sie damit vorhatte, und reagierte auf Fragen mit jenem stoischen Lächeln, das Elsa seit je imponiert hatte.
Elsa hätte sich am liebsten eine Scheibe von Iolanas innerer Gelassenheit abgeschnitten, genauso wie von Paulettes zur Schau gestellter Stärke. Aber sie merkte, dass ein Charakter sich nicht auf Kommando ausbilden lieÃ. Solange Max wie vom Erdboden verschluckt war â auch Gung hatte nichts in Erfahrung bringen können â, nahmen Elsas Unruhe und Unentschlossenheit weiter zu. AuÃer sich um Keanu zu kümmern, wusste sie nichts mit sich anzufangen. Es waren Iolana und Paulette, die irgendwann einen Umbau der Villa ins Spiel brachten, und nach anfänglichem Zögern willigte Elsa ein.
Die Idee war gut und lenkte sie obendrein von trüben Gedanken ab. Alle drei Freundinnen brachten Vorschläge zum Umbau ein. Iolana wünschte sich weniger Türen und Fenster, stattdessen eine offenere, der Natur zugewandte Konstruktion, wohingegen Paulette alles recht war, Hauptsache, die griechischen Statuen würden beseitigt. Elsa lieà zudem ein Baumhaus errichten, das vom Obergeschoss der Villa aus über eine stabile Brücke zu erreichen war. Es war rundherum offen, wie ein samoanisches fale, jedoch wie eine Lounge eingerichtet.
Auch auf Iolanas Strandgrundstück begannen die Bauarbeiten, und bald kamen Elsa und Paulette dahinter, dass dort ein polynesisches Café entstand. Es war nicht schwer, sich vorzustellen, wie Iolana in ihrem eigenen kleinen Reich aufgehen und es mit ruhiger Hand führen würde. Sie war wie geboren für eine solche Aufgabe, und Port Rabaul hatte ein bisschen exotisches Flair dringend nötig.
Das Glück der Freundinnen und das Lachen Keanus waren wie Sonnenstrahlen für Elsa, und es ging ihr bald deutlich besser. Dennoch fühlte sie sich noch immer seltsam leer. Erst als sie hörte, dass Max zurückgekehrt war, begann sich diese Leere zu füllen â mit Hoffnungen.
Sofort lieà sie einen Brief zur Hüttenpraxis bringen, worin sie Max bat, baldmöglichst in die Villa zu kommen. Als Grund nannte sie eine Untersuchung Keanus. Dabei hatte sie etwas ganz anderes vor.
Am Tag von Maxâ Besuch verbrachte Elsa eine geschlagene Stunde vor dem Kleiderschrank und eine weitere vor dem Spiegel. Da die Umbauarbeiten noch nicht abgeschlossen waren, lieà sie das neue Baumhaus putzen und dekorierte es mit frisch gepflückten Gartenblumen, vor allem Orchideen und Oleanderzweigen. Max hatte sich für drei Uhr am Nachmittag angekündigt, aber schon um eins wusste Elsa nichts weiter zu tun und lief nervös durchs Haus. Iolana war zum Strand gegangen, um den Bau
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