Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
Vom Netzwerk:
Hongkong oder aus der Konfektionsfabrik ›Roter Proletarier‹ ist mir herzlich egal. Jedenfalls waren Chanel-Labels drin, ja?«
    »Ja doch, ja«, rief der Geschäftsführer verärgert.
    »Sehr schön.« Borodin nickte befriedigt. »Nun seien Sie doch nicht so nervös. Erinnern Sie sich vielleicht, ob ein Kleid aus himmelblauem dünnem Samt dabei war?«
    Der Geschäftsführer schwieg eine Weile und starrte mit glasigen Augen vor sich hin, bevor er langsam und beinahe ruhig sagte: »Seien Sie so gut und erklären Sie mir bitte, was ein blaues Samtkleid mit der Explosion zu tun hat. Was soll die blöde Fragerei?«
    »Herr Radtschenko, mäßigen Sie sich bitte.« Der Oberstleutnant zog drohend die kohlschwarzen Brauen zusammen. »Und antworten Sie klar und deutlich. Also – enthielt die Kollektion ein blaues Samtkleid?«
    »Das kann ich schwer sagen«, erwiderte der Geschäftsführer und machte ein hochmütiges Gesicht, aber seine Hände zitterten immer stärker.
    »Darf ich fragen, warum? Sie erinnern sich nicht genau an die einzelnen Teile der Kollektion?«
    »Ich verstehe wirklich nicht, warum Sie sich an solchen Kleinigkeiten festhaken.« Radtschenko presste die Lippen zusammen und schaute beiseite. »Was haben Sie nur mit diesem Kleid?«
    »Wir haken deshalb so nach, weil Sie, Herr Geschäftsführer, der Antwort ausweichen.« Borodin lächelte freundlich. »Die Frage ist wirklich ohne besonderen Belang, aber Sie reagieren darauf so heftig, und das weckt natürlich unser Interesse.«
    Dem Gesicht des Geschäftsführers mit den farblosen Augenbrauen und den unangenehm schmalen Lippen war anzusehen, welche komplizierten Prozesse in seinem Kopf abliefen. Es kostete ihn gewaltige Anstrengung, sich zu beruhigen und in normalem Ton leise zu sagen: »Ich kann Ihnen die Frage nicht beantworten, weil das Kleid verkauft wurde. Es wurde verkauft, verstehen Sie? Also war es wohl nicht mehr im Geschäft.«
    »Wurde es heute verkauft?«
    »Was spielt das für eine Rolle? Was spielt das jetzt noch für eine Rolle?«
    »Antworten Sie bitte auf die Frage. Wurde das blaue Samtkleid heute verkauft?«
    »Ja, heute«, blaffte Radtschenko.
    »Wer hat es gekauft und wann genau?«
    »Keine Ahnung.«
    »Aber Eduard«, sagte Oberstleutnant Swiridow einschmeichelnd, »Sie haben doch selbst ausgesagt, dass Sie heute Vormittag die ganze Zeit im Geschäft waren. Sie haben nicht so viele Kunden, und das Kleid war ein teures Stück. Und daran erinnern Sie sich nicht?«
    »Ich war nicht da.« Radtschenko bedachte den Oberstleutnant mit einem hasserfüllten Blick.
    »Woher wissen Sie dann, dass es verkauft wurde?« Swiridow lächelte liebenswürdig.
    »Die Verkäuferin hat mich auf dem Handy angerufen und gefragt, ob sie für das Kleid einen Nachlass gewähren kann.«
    »Der Preis betrug tausendfünfhundert Dollar?«, fragte Borodin rasch.
    »Ja, genau. Es war ein schönes Modell, aber mit geringer Verkaufschance.«
    »Eine sehr kleine Größe? Für eine große, sehr schlanke Frau?«, vergewisserte sich Borodin erfreut.
    »Richtig … Aber woher …?«
    »Das tut nichts zur Sache. Wann hat die Verkäuferin Sie angerufen?«
    »Das weiß ich nicht mehr.«
    »Wie das?«, mischte sich der Oberstleutnant ein. »Wieso wissen Sie das nicht? Sie waren essen gegangen, also hat die Verkäuferin Sie während Ihrer Mittagspause angerufen.«
    »Ich weiß es nicht mehr«, flüsterte Radtschenko erbleichend. »Mir ist nicht gut, ich erinnere mich an gar nichts.«
    Sie entließen den totenblassen Geschäftsführer, und er wankte davon.
    »Fjodor, die beiden sitzen gerade im Vorortzug in Richtung Sawjolowo oder sind noch auf dem Bahnhof«, sagte Borodin heiser und aufgeregt. »Zwei Mädchen, Zwillingsschwestern, sehen aus wie siebzehn. Ich habe sie vor einer halben Stunde an den Patriarchenteichen gesehen und ihr Gespräch mit angehört. Eine der beiden hatte das fragliche Kleid aus blauem Samt in der Tasche. Von den Patriarchenteichen sind sie hierher gelaufen, zum Puschkinplatz, um sich das Resultat anzusehen, und dann mussten sie zur Metro zum Sawjolowoer Bahnhof.«
    Swiridow wählte auf seinem Handy eine Nummer und gab es Borodin. Der beschrieb die Zwillinge ausführlich und fügte hinzu, dass die eine Ira hieß und die andere Sweta.
     
    Sie erreichten den Bahnhof genau zwischen zwei Zügen, mussten aber nicht auf die nächste Bahn warten. An der Kasse trat ein kleiner, kahlgeschorener junger Mann in Boxershirt und halblangen Satinshorts auf sie zu. Seine

Weitere Kostenlose Bücher