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Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Vorortrestaurant hatte einen schlechten Ruf.
    »Melde dich bitte gleich bei mir, wenn du nach Hause kommst«, bat Malzew sie vor der Zollkontrolle.
    »Selbstverständlich; um die Zeit bist du ja gerade gelandet.«
    »Trotzdem – du solltest da lieber nicht hingehen.« Er strich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr. »Erfinde eine Ausrede, sag, du hast Kopfschmerzen, oder mein Flug hatte Verspätung und du sitzt noch mit mir auf dem Flughafen.«
    »Klar, ich würde gern mit dir auf dem Flughafen sitzen.« Warja nickte. »Aber ich muss in ein leeres Haus zurück. Und Sweta wäre beleidigt, sie ist schrecklich leicht gekränkt. Was ist denn eigentlich los? Was hast du dagegen, dass ich in dieses blöde Restaurant fahre?«
    »Das ist ein unguter Ort«, murmelte Malzwew mürrisch. »Vor ein paar Monaten gab es dort eine Schießerei, einen Bandenzwist.«
    »Im Ernst?« Warja machte erschrockene Augen.
    Natürlich wusste sie von der Schießerei. Pnyrja selbst hatte sie initiiert. Er hatte einen übermütig gewordenen jungen Konkurrenten eingeladen, einen Provokateur zu ihm an den Tisch gesetzt, und der Streit zwischen beiden war zur Schießerei eskaliert.
    Malzews Flug wurde aufgerufen. Warja umarmte ihren Mann und flüsterte ihm ins Ohr: »Nach der Wahrscheinlichkeitstheorie dürfte das mindestens für ein Jahr der sicherste Ort in Moskau und Umgebung sein.«
     
    »Sind Drogen im Haus?«, fragte Hauptmann Kossizki nach dem Telefonat mit dem Notarzt.
    »Ich weiß nicht … Ich habe keine Ahnung.« Raïssa gestikulierte erschrocken. Oleg grunzte Unverständliches.
    »He, ich will dich nicht verhaften, aber der Notarzt hat gesagt, du brauchst was, du hast Entzugserscheinungen, kapiert? Du könntest sterben.«
    Oleg zeigte mit zitternder Hand auf seine Kehle, versuchte sich aufzurichten, schüttelte den Kopf und krümmte sich vor Schmerzen. Die Krämpfe wurden heftiger.
    »Na schön, wo ist die Hausapotheke?« Der Hauptmann sah zur Uhr. »Haben Sie irgendwelche Herzmittel?«
    Raïssa besann sich und rannte zur Anrichte. Zum Glück waren einige Ampullen Esmolol vorhanden.
    Kossizki gab Oleg eine Spritze, und sein Atem wurde ruhiger, das Zittern hörte fast auf.
    »Na, kannst du jetzt reden? Die Adresse des Kinderheims, schnell!«
    »Lob-nja«, brachte Oleg unter großer Anstrengung heraus, zeigte auf den Fernseher und vollführte dann mit einem Finger energische Kreisbewegungen in der Luft.
    »Ach, es gab eine Fernsehsendung über das Heim?«, mutmaßte Kossizki.
    Oleg nickte, zeigte an die Decke, ließ wieder seinen Finger kreisen und sagte: »Kass… Kass… Kam…«
    »Ah, ich verstehe!«, rief Raïssa verwundert. »Ich weiß Bescheid! Er hat mir erzählt, dass er seine Tochter mit der Videokamera gefilmt hat. Sie ist oben, im ersten Stock, ich hole sie gleich!« Sie stürzte davon und kam mit einer kleinen Videokamera zurück. Aber Kassetten waren nicht da, keine einzige.
    »Die Mä…! Mä… Zwi… Zwinge…«
    »Die Zwillinge waren hier, zwei freche Mädchen, sie haben die Kassetten gestohlen. Wer sonst«, sagte Raïssa, verblüfft von ihrer eigenen Kombinationsgabe.
    Der Notarzt traf ein. Der muntere mollige Doktor erklärte, es bestehe keine Lebensgefahr, Olegs Zustand sei nur mittelschwer, es handle sich um Entzugserscheinungen plus reaktive Psychose.
    »Was ist mit seiner Sprache los?«, fragte Kossizki.
    »Motorische Aphasie. Perseveration. Er kann uns hören und verstehen, aber nichts sagen, er bleibt an einer Silbe hängen. Kommt vor bei Durchblutungsstörungen im Gehirn. Ein klassischer Fall. Na, mein Lieber, ein bisschen Metadon?« Der Doktor tätschelte Oleg die feuchte Wange.
    »Sind Sie hier, um ihn zu verhaften, Hauptmann?«, erkundigte sich der Dokotor freundlich.
    »Nein. Ich will ihn vernehmen.«
    »In vierundzwanzig Stunden, frühestens.«
     
    Warja parkte vorm Kirchenzaun, packte das Diktiergerät aus, legte eine Kassette ein, steckte es in die neue Leinentasche, drückte auf Aufnahme, sagte rasch ein paar Worte und überprüfte die Aufnahme. Sie war passabel. Dann band sie sich den Seidenschal um den Hals und stieg aus. Bis zur verabredeten Zeit blieben noch zehn Minuten. An einem Kiosk auf dem Kirchhof, gleich am Tor, wurden Ikonen, kleine Kreuze und Bücher verkauft. Die Sonne schien Warja in den Rücken, durch die Fensterscheiben des Kiosks hatte sie einen guten Blick auf ein Stück Straße jenseits des Zauns, ohne dass man von ihr selbst mehr erkannte als eine vage weibliche

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