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Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Junge, tut dir das Herz weh? Nun zitter doch nicht so, was soll ich tun, sag mir, was?«
    »Rufen Sie den Notarzt.« Der Hauptmann hockte sich vor die Couch und maß Olegs Puls. Mindestens hundertzwanzig. Seine Haut war kalt und nass. »Haben Sie eine Hausapotheke? Irgendein Herzmittel, Esmolol oder wenigstens Nitroglyzerin?« Er zog sein Handy aus der Tasche und wählte den Notruf.
    Oleg zitterte, atmete keuchend und heiser und öffnete den Mund, brachte aber keine Worte hervor, sondern nur sinnlose Laute.
    »Was kann ich tun, bis Sie kommen?«, fragte der Hauptmann den Mann am Notruftelefon. »Er hat Krämpfe, kalte Schweißausbrüche, blaue Lippen, einen Puls von hundertzwanzig, starke Atemnot, und seine Sprache ist gestört. Er ist drogenabhängig. Ja, ich habe verstanden, danke.«
     
    Borodin betrat den Hof und entdeckte an der Einfahrt zwei Milizwagen.
    »Und, wie siehts aus?«, wandte er sich an den Oberleutnant am Steuer und zeigte ihm seinen Ausweis.
    »Sie sind gerade erst hochgegangen«, erwiderte der Oberleutnant, »sie suchen noch.«
    »Wohin sind sie gegangen?«
    »Wohin schon, in die Wohnung natürlich.«
    »Moment mal, in welche Wohnung? Ich hatte doch nur gebeten, den Hof zu überprüfen.«
    »Das müssen Sie mit den Chefs klären.« Der Oberleutnant zuckte die Achseln. »Ah, da sind sie ja schon.« Mehrere Männer in gepanzerten Westen und mit MPis in der Hand kamen aus dem Haus.
    »Wieso wart ihr in der Wohnung?«, fiel Borodin über sie her. »Untersuchungsführer Borodin«, stellte er sich den erstaunten Milizionären vor und schwenkte seinen Ausweis.
    »Hauptmann Melnikow«, erwiderte ein hochgewachsener junger Mann und gab Borodin die Hand. »Alles umsonst. Da ist natürlich kein Messer mehr, die Tür steht sperrangelweit offen, im Bad brennt Licht, und nirgendwo ein Messer mit rhombenförmiger Klinge und einem Totenschädel auf dem Griff.«
    »Moment – Sie haben in der Wohnung der Solodkins nach der Mordwaffe gesucht?«, fragte Borodin entgeistert.
    Auf dem Weg zur Wache erklärte ihm Melnikow in Kürze alles, was er wusste. Borodin betrat mit ihm zusammen das Büro und erblickte ein dünnes junges Mädchen, das ein Baby stillte.
    »Entschuldigen Sie«, sagte er verlegen.
    »Und, das Messer ist natürlich weg, oder?«, fragte das Mädchen.
    »Ja«, antwortete Melnikow.
    »Das dachte ich mir.«
    »Und wer sind Sie?«, wandte sie sich an Borodin.
    Er stellte sich vor, noch immer auf der Schwelle zögernd.
    »Was denn, genieren Sie sich?« Sie lächelte. »Haben Sie noch nie gesehen, wie ein Baby gestillt wird? Das ist nichts Unanständiges.« Xenia zog ihr T-Shirt herunter, und das Baby auf ihrem Arm schmatzte schläfrig. »Was ich Ihnen noch sagen wollte: Während ich hier saß, ist mir klargeworden, von wem er die Wohnungsschlüssel haben kann. Vonden Zwillingen, zwei bildhübschen Mädchen um die Achtzehn.«
     
    Das Krokodil im Aquarium schlug mit dem Schwanz gegen die Scheibe, und der FSB-Ermittler blickte immer wieder voller Abscheu zu dem räuberischen Reptil. In der Scheibe spiegelte sich das Gesicht des Besitzers, und der Ermittler registrierte eine gewisse Ähnlichkeit zwischen beiden. Das Krokodil hatte Hunger. Das verkündete der ins Zimmer gekommene Koch mit der steifen weißen Mütze.
    »Abendbrotzeit für den Kleinen«, sagte der Koch, den Ermittler ignorierend, in einem Ton, als ginge es um ein zärtlich geliebtes Baby.
    »In zwanzig Minuten«, beschied ihn der Hausherr, stand auf, trat zum Aquarium, klopfte mit den Fingerknöcheln gegen die Scheibe und fragte: »Hältst du noch so lange aus, Schätzchen?«
    »Was frisst es denn?«, erkundigte sich der FSB-Mann.
    »Lebende Kleintiere«, antwortete Pnyrja und setzte sich wieder in seinen Sessel. »Kaninchen, Küken, manchmal auch Fisch, ebenfalls lebend. Stör mag er gern und Forelle. Mein Kleiner ist verwöhnt.«
    Die Augen des Krokodils wirkten so furchterregend, dass es dem FSB-Mann schien, als würde es mit seinem Blick jeden Moment ein Loch in die Scheibe bohren, mit einem Schwall Wasser herausgeschwappt kommen, auf seinen kurzen, krummen Beinen über den Perserteppich kriechen und ihn ins Bein beißen. Pnyrja verschlang auch dauernd Leute bei lebendigem Leib. Der Ermittler fand es merkwürdig, diesem hartgesottenen Kriminellen gegenüberzusitzen und sich friedlich mit ihm zu unterhalten, ohne ihn verhaften zu können – obwohl er wusste, was dieser dürre, kranke Alte alles auf dem Gewissen hatte. Im Augenblick wurde er

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