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Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Silhouette.
    Radtschenko kam vor der Zeit. Warja erkannte seinen hellblauen Toyota, überzeugte sich, dass er allein im Wagen saß, und wollte schon aus ihrer Deckung treten, als sie einen schwarzen Wolga mit verdunkelten Scheiben und einer Antenne auf dem Dach entdeckte. Sie griff zum Handy, wählte Radtschenkos Nummer und sagte, nachdem er sich mit einem heiseren »Ja!« gemeldet hatte: »Zum Abendmahl sind Sie zu spät, aber gehen Sie trotzdem in die Kirche, und vergessen Sie nicht, das Telefon abzuschalten.«
    Sie fürchtete, dass jeden Moment jemand anrufen und ihm einen echten Gruß von Pjotr ausrichten konnte.
    Sie sah, wie Radtschenko eine halb aufgerauchte Zigarette wegwarf, das Telefon einsteckte, das Autofenster schloss und ausstieg. Rasch, beinahe rennend, überquerte er den Kirchhof, ohne Warja zu bemerken. Sie stand noch immer in ihrer Deckung und beobachtete den Wolga.
    Das können nicht Pjotrs Leute sein, dachte sie, das ist das FSB. Aber warum so schnell? Wer ahnt schon, dass der Bombenanschlag in der Boutique vom Geschäfsführer selbst arrangiert wurde? Terroristen, Konkurrenten, wer auch immer,aber er? Wie sind sie auf ihn gekommen? Irgendwas hat Pjotr falsch gemacht. Seine größte Schwäche ist Geld. Hat er sparen wollen und billige, unerfahrene Vollstrecker geschickt? Die sich an Ort und Stelle erwischen ließen und schon ausgesagt haben? Aber sie können unmöglich den Auftraggeber kennen. Trotzdem wird der jetzt überwacht.
    Gut möglich, dass Radtschenkos Handy abgehört wurde und man ihr Telefonat mit ihm mitgeschnitten hatte. Ein vollkommen unschuldiges Gespräch über ein grünes Seidenkostüm. Radtschenko hatte ihre Worte auf seine Weise verstanden. Schließlich hatte er den Anschlag wegen eben jener Kollektion bestellt.
     
    Warja hatte den Geschäftsführer der Boutique vor fast einem Jahr kennengelernt. Sie war mit Malzew in der Einkaufsgalerie am Puschkinplatz gewesen und in die Boutique »Virginia« gegangen. Sie hatte sehr lange nach einem Abendkleid gesucht und war vom Geschäftsführer kundig und geduldig beraten worden. Am Ende hatte sie nicht nur das Kleid gekauft, und der Geschäftsführer gab ihr seine Visitenkarte. Einen Monat darauf brauchte sie dringend ein Hochzeitskleid, hatte aber weder Zeit noch Lust, durch Geschäfte zu laufen. Kurzentschlossen rief sie Radtschenko an. Er kam liebenswürdigerweise mit seinen Katalogen zu ihr nach Hause, half ihr bei der Auswahl und brachte das Kleid am nächsten Tag persönlich vorbei. Seitdem nutzte sie Radtschenkos Dienste häufig. Sie war es auch, die ihn mit Pnyrjas Sicherheitschef zusammengeführt hatte.
    Pjotr hatte sich aus Wladiwostok eine neue Geliebte mitgebracht. Die achtzehnjährige Miss Ferner Osten war fremd in Moskau und beklagte sich bei Warja: »Ich hab keinen Schimmer von Klamotten. Du hast immer so krasse Outfits, echt.«
    Warja nutzte jede Gelegenheit, zusätzliche Informationen über Pjotr zu bekommen, und obgleich sie wusste, dass dieMiss bald durch ein anderes, ebenso junges, dummes Provinzgör ersetzt werden würde, war sie bereit, dem Mädchen bei der Auswahl ihrer Sommergarderobe zu helfen, und fuhr mit ihr natürlich in die Boutique von Herrn Radtschenko.
    Wie sich die Beziehungen zwischen Pjotr und Radtschenko weiter entwickelten, wusste Warja nicht, war aber nicht erstaunt, als sie Radtschenko vor einer Woche bei dem Bankett in dem Moskauer Vorortrestaurant traf. Die Miss Ferner Osten war inzwischen durch eine Schönheit aus Sotschi ersetzt worden, die ihr ähnelte wie eine leibliche Schwester.
    Pjotr empfing Radtschenko herzlich wie einen alten Freund. So freundlich lächelte er nur, wenn es etwas zu verdienen gab. Warja war schrecklich neugierig, auf welche Weise er dem Geschäftsführer der Boutique Geld aus dem Kreuz leiern wollte. Als die beiden den Saal verließen, folgte sie ihnen vorsichtig. Zum Restaurant gehörte ein überdachter Innenhof, auf dem hinter einer Glaswand Ponys auf einer sattgrünen Wiese grasten. Pjotr und Radtschenko setzten sich auf eine stilisierte Bank aus dicken Baumstämmen, Warja drehte von außen eine Runde um den Hof und gab die Hoffnung auf, etwas von ihrem Gespräch zu erhaschen. Doch da begann Radtschenko heftig zu niesen, stand auf und sagte etwas zu Pjotr. Offenbar hatte er eine Allergie gegen Tierhaare, also würden die beiden wohl an die frische Luft gehen.
    Die Terrasse war voller Leute. Dahinter lag ein dichtes Eichenwäldchen. Neugierig und dickköpfig, wie Warja

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