Das Haus der bösen Mädchen: Roman
in der nassen Spitzenunterwäsche gefangen.
In der Küche trat Stille ein, Kossizki richtete sich auf und sah die drei alten Frauen an.
»Was soll das, Bürger?«, fragte eine Dame in geblümter Kittelschürze, einen Schaumlöffel wie eine Pistole auf den Hauptmann gerichtet.
Kossizki zeigte seinen Ausweis und fragte, mit wem er über die verstorbene Julia Lastotschkina sprechen könne.
Zehn Minuten später, als die Neugier der Nachbarn einigermaßen befriedigt war, saß er in dem behaglichen, sauberen Zimmer der geblümten Dame, trank Tee mit Johannisbeerkonfitüre und lauschte einem ausführlichen Bericht, demzufolge Julia in Wirklichkeit keineswegs Krebs gehabt hatte. Die Nachbarn, auf ihr Zimmer spekulierend, hätten sie vergiftet und die Ärzte bestochen, damit das Ganze glaubwürdig aussah, aber nun sei ja endlich zu hoffen, dass die Gerechtigkeit doch noch triumphieren würde, die Nachbarn ihre verdiente Strafe bekämen und das Zimmer endlich demjenigen zufalle, dem es am meisten zustand, nämlich ihr, der geblümten Dame, denn sie kümmere sich seit vielen Jahren um die Ordnung in der Wohnung, kämpfe für sparsamen Stromverbrauch und für Sauberkeit im gemeinsamen Sanitärbereich.Wenn sie nicht wäre, würde hier eines Tages alles in die Luft fliegen, denn die Prochorowa drehe nie das Gas ab, und die Gnobenko lasse immer die Milch überkochen.
»Sagen Sie, bekam die Lastotschkina manchmal Besuch?«, fragte Kossizki rasch in eine Pause hinein.
»Aber ja, diese Lilja war dauernd hier, die Tochter ihrer Schulfreundin. So eine Blonde mit kurzen Haaren. Sie brachte ihr immer Obst mit und Pralinen, ›Tante Lilja, Tante Lilja‹«, zischte die Dame mit hoher, falscher Stimme und scheinheiliger, zuckersüßer Miene. »Aber das hat ihr nichts genützt. Ach, war die dann wütend, diese Lilja, sie hat das ganze Zimmer auf den Kopf gestellt, konnte nicht fassen, dass all ihre Mühe umsonst war und es kein Testament gab.«
»Verzeihung, ich verstehe nicht«, sagte der Hauptmann.
»Was gibts da zu verstehen.« Die Dame runzelte die Brauen. »Zehn Quadratmeter Wohnraum findet man nicht auf der Straße.«
Als Nächstes sprach der Hauptmann mit einem mageren Mann um die vierzig mit runder Halbglatze und einem Pferdeschwanz im Nacken. Er schaute zur Tür herein, schüttelte den Kopf und sagte in hohem, brüchigem Falsett: »Susanna Iwanowna, Sie sollten sich schämen, so zu lügen, Sie glauben doch an Gott! Man hört durch die Wand jedes Wort«, erklärte er dem Hauptmann, »und bei diesen Gemeinheiten faulen einem die Ohren ab.«
Unter dem gellenden Geschimpfe der geblümten Dame entfernte sich Kossizki zusammen mit dem Mann. Der stellte sich als Fjodor vor, bekannte mit gesenkter Stimme, er heiße eigentlich Ferdinand Lunz, und bot ihm einen Wodka an.
»Nein? Sind Sie sicher? Also, ich trinke einen, wenn Sie gestatten.« Er goss sich aus einer Flasche auf einem Hocker mitten im Zimmer ein Glas voll.
Außer dem Hocker und einer Matratze in der Ecke gab es keinerlei Möbel. Der Hauptmann setzte sich aufs Fensterbrett, der Hausherr neben dem Hocker auf den Fußboden.
»Ich ziehe um«, erklärte Ferdinand, »ich heirate und verlasse endlich dieses Wanzennest. Sagen Sie, warum interessieren Sie sich plötzlich für die Verstorbene?«
»Ich interessiere mich für jeden, der Lilja Kolomejez kannte. Kannten Sie sie auch?«
»Was ist denn passiert?« Über das magere, unrasierte Gesicht huschte ein Schatten.
»Sie wurde ermordet.«
»Wer? Lilja? Nein, Moment, Sie irren sich, Hauptmann. Das kann nicht sein.«
»Lilja Kolomejez wurde vor drei Tagen tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Achtzehn Messerstiche. Ich bitte Sie, mir ausführlich zu erzählen, wann und unter welchen Umständen Sie sie das letzte Mal gesehen und worüber Sie gesprochen haben. Alles, woran Sie sich erinnern.«
»Achtzehn Messerstiche … Mein Gott …« Ferdinand schlang die Arme um seine Knie und barg sein Gesicht darin. Kossizki sah seine Schultern beben. »Verzeihen Sie«, sagte Ferdinand heiser, »ich muss erst zu mir kommen.«
»Bitte, ich habe keine Eile.« Kossizki öffnete das Fenster, zündete sich eine Zigarette an und schaute hinaus. Ist er wirklich so sensibel, dachte er, während er zwei Federball spielende junge Mädchen auf einer kleinen Wiese beobachtete. Oder hatte er was mit der Ermordeten? Er schluchzt wie ein kleines Kind.
»So.« Ferdinand hob den Kopf, zog gierig noch einmal an seiner Zigarette und drückte sie aus.
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