Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
Vom Netzwerk:
vorbereitet.«
    »Sie sagten, sie habe eine alte Strickjacke von Olga getragen und die Hand auf die Tasche gepresst. Vielleicht hat sie darin etwas gefunden?«
    »Was hätte sie denn darin finden sollen? Schlimmstenfalls eine Ampulle mit Drogen. Nehmen wir an, es war so. Dann wären natürlich schmerzliche Erinnerungen hochgekommen, aber es war mehr als das, sie hatte einen Schock, verstehen Sie? Einen waschechten Schock.«
    »Vielleicht hat sie einen Zettel gefunden, ihn gelesen und verschwinden lassen, während Sie Kaffee kochten? Sie standen ja mit dem Rücken zu ihr.«
    »Einen Zettel?« Er runzelte die Stirn. »Ja, schon möglich, einen Zettel von Olga. Quasi aus dem Jenseits. Entschuldigen Sie, ich bin sehr erschöpft.«
    »Danke.« Kossizki reichte ihm seine Visitenkarte. »Wenn Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie mich unbedingt an.«
    Ferdinand nickte. »Unbedingt.«
    Der Hauptmann drückte seine schlaffe Hand und fragte rasch und leise: » Ach ja, das hätte ich beinahe vergessen. Wissen Sie zufällig die Adresse des Internats, in dem Ljussja lebt?«
    »Nein, keine Ahnung.«
    »Das Mädchen ist im Krankenhaus, es geht ihr ziemlich schlecht, und wir haben noch nicht herausgefunden, wo sie lebt. Zum Zeitpunkt des Mordes befand sie sich bei Lilja, sie ist auch dort gemeldet, aber die Nachbarn sagen, sie habe nicht ständig dort gewohnt.«
    »Darüber weiß ich nichts. Auf Wiedersehen.« Seine Stimme klang erneut dumpf und abgehackt, und seine Augen huschten unstet umher.
    »Entschuldigen Sie, Ferdinand, noch eine letzte Frage«, sagte der Hauptmann rasch, seinen Blick suchend. »Haben Sie vielleicht geschworen, nicht darüber zu sprechen, dass Lilja das Mädchen in ein Internat gegeben hat?«
    »Aber Hauptmann! Ich heiße Fjodor! Fjodor!« Er wandte sich um, seine Augen huschten noch immer umher. »Ja, Lilja hat mich gebeten, nie mit jemandem über ihre Entscheidung zu sprechen. Auf Wiedersehen.«
    »Danke, Fjodor. Was Ihren Namen angeht – entschuldigen Sie.« Kossizki lächelte. »Ehrlich gesagt, ich finde ihn nicht seltsam und schon gar nicht komisch. Apropos Namen. Wenn Sie die Schwestern so gut kannten, haben Sie nie den Namen des Mannes gehört, mit dem Olga zwei Jahre zusammengelebt hat?«
    »Olgas Tochter hat keinen Vater«, erwiderte Ferdinand scharf. »Auf Wiedersehen. Entschuldigen Sie, ich muss eine Weile allein sein.«
    Damit schlug er die Zimmertür dem verblüfften Hauptmann vor der Nase zu.
     
    Unterleutnant Nikolai Teletschkin trank in einem Straßencafé an der Metrostation lauwarmes Bier und aß eine fettigePastete. In seiner Tasche steckte ein von seiner jungen Frau Aljona geschriebener Einkaufszettel für den Markt. Kolja hatte keine Eile, es zog ihn nicht nach Hause. Die schwangere Aljona war launisch und verlangte von ihrem Mann vollkommen Unmögliches: Dass ihre Übelkeit aufhörte, dass er ein höheres Gehalt bekam und keine Nachtdienste mehr machen musste, dass die boshafte Vermieterin ihrer Einzimmerwohnung nicht einmal in der Woche vorbeikam und überall herumschnüffelte.
    Gegenüber vom Café, vor dem Metroeingang, lungerte eine Gruppe Obdachloser herum – aufgedunsene Gesichter und verfilztes Haar, in dem es vermutlich von Ungeziefer wimmelte. Die Passanten machten einen großen Bogen um sie. Vor dem Telefon gleich neben den Obdachlosen stand ein junger Mann und kramte in seinen Taschen lange nach einem Chip. Obwohl es in der Nähe noch drei weitere Telefone gab, hatte er ausgerechnet das neben den Obdachlosen gewählt. Er fand keinen Chip, ging aber nicht zum Kiosk und kaufte sich einen, sondern blieb einfach stehen. Er hatte ein Bandanatuch mit weißen Totenköpfen auf schwarzem Grund um den Kopf geschlungen und trug enge schwarze Jeans und ein schwarzes T-Shirt mit einem Bild auf der Brust. Totenschädel und Hakenkreuz, soweit Nikolai erkennen konnte. An seiner Schulter baumelte eine kleine Sporttasche.
    Plötzlich wurde der träge Straßenlärm wie von einem Tsunami von Hardrockwellen übertönt, vom Hit der Saison. »Liebe ist so schizophren, ich will immer mit dir gehn, lass mir von dir den Kopf verdrehn, ja, Liebe ist so schizophren.« Aus der Gruppe der Obdachlosen löste sich eine magere Gestalt in einem zerrissenen, weit ausgeschnittenen Glitzerkleid und begann direkt vor dem Café zu tanzen, zwei Schritte vom Tisch des jungen Milizionärs entfernt. Sie wackelte mit dem Hintern, schüttelte ihren mageren Busen, stampfte mit den Füßen auf, schwenkte die Arme und

Weitere Kostenlose Bücher