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Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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meinst wohl, weil ich so eine bin, mußt du dich nicht genieren?«
    »Ich rede von dem mit den roten Hörnern«, beharrte Teletschkin.
    Sima starrte ihn ein paar Sekunden lang mit ihren verschiedenfarbigen Augen verzweifelt an, sprang schließlich auf und rannte davon, nachdem sie die Schachtel Chesterfield mit noch zehn Zigaretten darin vom Tisch gegriffen hatte.
    Nun war Nikolais Laune endgültig verdorben. Er hätte längst mit den Einkäufen zu Hause sein müssen. Der Bursche in Schwarz war auch verschwunden. Nikolai stand auf, ging aber statt zum Markt in die andere Richtung, zu dem Abrisshaus, in dem Sima wohnte.
    Auf dem Spielplatz, neben den Müllcontainern, blieb er stehen. Genau hier hatte Sima den Teufel gesehen.
    Das ist doch alles Blödsinn! Lilja Kolomejez wurde von ihrer verrückten Nichte ermordet. Sie ist eben verrückt. Es gibt keinen Psychopathen. Die achtzehn Messerstiche haben nichts zu bedeuten. Dreimal sechs sind achtzehn. Drei Sechsen sind das Zeichen Satans. Alles Quatsch – das debile Mädchen hat einfach auf die Tante eingestochen, ohne die Stiche zu zählen.
    Nikolai setzte sich auf die Bank. Es war schwül, es würde ein Gewitter geben. Nikolai langte in die Tasche nach seinenZigaretten, dann fiel ihm ein, dass Sima die Schachtel mitgenommen hatte. Er wollte schon wieder gehen, als er den Burschen in Schwarz entdeckte. Er trug nun keine Brille. Seine hellbraunen Augen glitten gleichgültig über das Gesicht des Milizionärs.
    »Hätten Sie vielleicht eine Zigarette?«, fragte Nikolai automatisch.
    Der Mann erstarrte, sein eben noch leerer, gleichgültiger Blick wurde aufmerksam und scharf und bildete einen unangenehmen Kontrast zu seinem Lächeln. Er zog die schmalen Lippen auseinander und entblößte eine gerade Reihe kräftiger, gelblicher Zähne. Nikolai mutmaßte plötzlich, dass er wesentlich älter war, als er wirkte.
    Der Mann holte eine zerknautschte Schachtel Parlament aus der Tasche und hielt sie Nikolai hin. Mit dem Zippo-Feuerzeug gab er Nikolai Feuer und zündete sich selbst eine Zigarette an.
    »Danke, Alter. Ich war nämlich grad ein Bierchen trinken, und da hat so eine besoffene Idiotin mir die Zigaretten vom Tisch geklaut.«
    Der Mann grunzte etwas Unverständliches, nickte und ging rasch seiner Wege, ohne sich umzudrehen. Nikolai blieb eine Weile stehen, rauchte und schaute ihm nach.
    Vielleicht hat er ja auf jemanden gewartet, der hier wohnt? Warum soll er ausgerechnet was von Sima wollen? Nikolai sah zur Uhr, stieß einen Pfiff aus, lief zum Markt und redete sich unterwegs zu, diese dumme Geschichte zu vergessen.
    Während er von Marktstand zu Marktstand ging, vergaß er immer wieder, was er kaufen sollte, und schaute dauernd auf seinen Zettel, bis er ihn zusammen mit zwei Fünfzigerscheinen fallen ließ. Er musste auf dem Boden herumkriechen, zwischen lauter fremden Beinen – widerlich. Auf einem der Geldscheine stand ein schwarzer Nappalederschuh mit weißem Schnürsenkel. Nikolai hob den Kopf. Die hellbraunen Augen sahen ihn an. Der Mann hatte das Bandanatuchabgenommen, sein stumpfes blondes Haar war kurz und dünn. Der ist doch mindestens vierzig, dachte Nikolai erstaunt.
    Der Mann tauchte in der Menge unter und verschwand.

Siebtes Kapitel
    Ljussja erwachte vom Schmerz. Der Vollmond erfüllte das Krankenzimmer mit kaltem rauchigem Licht. Der Raum drehte sich, schneller und schneller. Ljussja wusste nicht, dass das von ihrem Kopf kam. Ihr war noch nie schwindelig gewesen. Sie versuchte sich zu trösten, indem sie sich sagte, das alles sei nur ein böser Traum. Sie hatte oft böse Träume. Tante Lilja sagte dann immer: Steh auf und wasch dich mit kaltem Wasser. Im Zimmer gab es kein Waschbecken, Ljussja musste also durch den menschenleeren, von flackernden blauen Lampen erleuchteten Flur gehen. Sie hatte diesen Weg schon mehrmals nachts zurückgelegt, wenn sie, in kalten Schweiß gebadet, von einem bösen Traum erwacht war, und sie wusste, dass es dort auf dem blauen Flur noch schlimmer war als im Traum. Nachts drang aus den geschlossenen Türen der kleinen Krankenzimmer Schluchzen und Stöhnen, Ljussja hörte den schweren Atem ihrer unbekannten Nachbarn, hörte, wie sie sich herumwälzten; mancher war am Bett festgebunden, mancher hatte sich eingenässt, und der Morgen würde mit dem Geschrei der Schwestern beginnen.
    Ljussja spürte andere Menschen sogar durch die Wände hindurch, und wenn sie krank und unglücklich waren, ging es Ljussja schlecht.
    Sie kniff

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