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Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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nicht.«
    »Sie ist tot, weil du sie erstochen hast.«
    »Ich hab sie nicht umgebracht! Ich habs nicht getan!«
    Rjurik wollte trotz aller Überredungsversuche nicht freimütig gestehen, dass er seine Lebensgefährtin ermordet habe. Bei seinem Geschrei und seiner Hysterie verlor der Hauptmann die Nerven und versetzte ihm mehrere Schläge in den Bauch. Rjurik krümmte sich und verstummte.
    Die Einsatzgruppe traf ein, der Gerichtsmediziner erklärte, der Tod sei vor mindestens fünf Stunden eingetreten, und zwar infolge zahlreicher Messerstiche. Die Tatwaffe wurde nicht gefunden; die Milizionäre vermuteten, sie läge in dem Haufen unterm Fenster. Rjurik fiel beinahe die Treppe hinunter, die Milizionäre mussten ihn stützen – er konnte kaum die Beine bewegen, und sein Kopf pendelte kraftlos hin und her. Der Hauptmann musterte ihn aufmerksam, als sie ins Auto stiegen. Rjurik war aschgrau im Gesicht, seine Augen waren rot, auf seinen Lippen lag rosa Schaum. Der Hauptmann drehte sich um und wischte die unangenehmen Mutmaßungen beiseite. Die paar Schläge, na und! Der kommt schon wieder zu sich. Der Hauptmann hatte Erfahrung, er kannte sich aus mit der Anatomie und schlug mit Verstand zu, so, dass keine lebenswichtigen Organe verletzt wurden.

Neuntes Kapitel
    Xenia Solodkina warf, ohne hinzusehen, in den Rucksack, was ihr gerade in die Hände fiel: Shorts mit defektem Reißverschluss, schmutzige hellblaue Söckchen, eine leere Tube Babycreme, einen neuen, noch nie getragenen Tennisrock. Ihr zitterten die Hände, ihr Blick verschwamm vor Tränen. Von einem schneidenden Schmerz in der Hand kam sie zu sich – sie versuchte, die dünne Sehne mit dem Preisschild vom Rock zu reißen. Sie kippte den Rucksack auf dem Sofa aus und erstarrte mitten im Zimmer.
    Die drei Monate alte Mascha lag in ihrem Bettchen.
    Ein Blick auf die schlafende Tochter ließ Xenias Tränen trocknen und ihre Hände aufhören zu zittern. Xenia holte tief Luft und zog die oberste Kommodenschublade auf. Sie enthielt Babyjäckchen, Strampler und Mützen. Alles gut und teuer. Sie nahm nur das Notwendigste.
    In dem riesigen Haus herrschte Totenstille.
    Aus der Küche drang der Geruch nach gebratenen Zwiebeln herauf. Die Haushälterin Raïssa kochte Essen, das niemand außer ihr selbst anrühren würde.
    Nachdem Xenia gepackt hatte, schlüpfte sie in Turnschuhe und zog eine leichte weiße Windjacke über. In der Innentasche steckte Geld, achthundert Dollar und zweitausend Rubel. Vorsichtig, um Mascha nicht zu wecken, wechselte sie die Pampers und zog ihr einen leichten Baumwollanzug an. Mascha erwachte erst, als sie in der Bauchtrage saß, nahm das aber gelassen hin, lächelte und ließ sich sogar einen Sonnenhut aufsetzen und die Bänder unterm Kinn zuschnüren. Xenia schaute sich ein letztes Mal im Zimmer um, sah sich im ovalen Spiegel über der Kommode, strich sich das Haar glatt, drehte sich um, ging hinaus und schloss leise die Tür hinter sich.
    Die Treppe führte in das große Esszimmer: Dunkel getäfelte Wände, ein runder Tisch, ein Kamin, ein Flügel, auf demseit zwanzig Jahren niemand mehr gespielt hatte, ein antikes Sofa mit einem Berg verschiedenfarbiger kleiner Kissen, vier Korbschaukelstühle mit bunten Strickdecken. Alles sauber und behaglich. Keine Spur mehr von der nächtlichen Orgie. Raïssa war eine gute Haushälterin.
    Xenia blickte durch den Türspalt in die Küche. Auf dem Herd stand eine zischende Pfanne mit Deckel. Raïssa war nicht da, vermutlich war sie auf der Toilette oder zu den Nachbarn gelaufen, eine Kleinigkeit borgen. In der Hängematte im Garten lag Oleg, unbequem zusammengekrümmt, und schlief. Auf der Veranda klingelte leise ein Handy. Xenia lief rasch um das Haus herum und verließ das Grundstück durch die Pforte, die an der Rückseite des Hauses hinter Johannisbeersträuchern versteckt lag und zu einem zugewachsenen Teich am Rand der Siedlung führte.
    Der Boden um den Teich herum war sumpfig und selbst bei der momentan herrschenden Hitze noch feucht. Mückenschwärme umkreisten Xenia, Brennnesseln schlugen gegen ihre nackten Beine. Ihr schläfriges Kind festhaltend, lief sie sehr rasch, rannte schließlich und wurde erst langsamer, als sie die Chaussee erreicht hatte.
    Vom nächstgelegenen Dorf bis zur Bahnstation verkehrte ein Linienbus, doch an der Haltestelle drängten sich die Leute, und Xenia beschloss, lieber zu laufen. Den Weg kannte sie nicht, sie kam immer mit dem Auto auf die Datscha. Wie alle Bewohner der

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