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Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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alle auf dem Gewissen. Erst ihre Mutter Olga, denn einen anderen Grund für ihren Selbstmord als das behinderte Kind habe sie nicht gehabt. Dann Tante Manja, die den Tod der geliebten jüngsten Tochter nicht verwinden konnte. Und anschließend habe das kranke Mädchen zehn Jahre lang Lilja allmählich zugrunde gerichtet. Lilja habe Ljussja ihr ganzes Leben geopfert und sich mit Schuldvorwürfen gemartert; der physische Tod, selbst ein so brutaler, sei für Lilja letztendlich eine Erlösung gewesen. Und am Sarg hat er gemurmelt: Nun bist du frei, Lilja, verzeih mir, wenn du kannst.«
    »Ach, Iwan, wie kannst du diesen ganzen Blödsinn nur wiederholen, noch dazu in vollem Ernst«, sagte Borodin.
    »Und wenn er nun dasselbe dem Kind eingeredet hat? Kein Wunder, dass sie dann immer wieder behauptet: ›Ich habe Tante Lilja getötet.‹«
    »Jetzt sag nur noch, Ljussja sei von ihm schwanger gewesen«, spottete Borodin. »Weißt du, wie sie auf die Frage nach Fjodor reagiert hat? Ja, den kenne ich, hat sie gesagt. Aus einem Zeichentrickfilm.«
    »Haben Sie ihr ein Foto von ihm gezeigt?«
    »Selbstverständlich! Sie hat gefragt: ›Wer ist das?‹«
    »Ljussja ist keine brauchbare Zeugin«, knurrte der Hauptmann.
    »Entschuldige, andere haben wir vorerst nicht. Übrigens, dein Ferdinand kommt heute zu mir, ich hab ihn vorgeladen.« Borodin sah auf die Uhr. »In vierzig Minuten.«
    »Ausgezeichnet. Ich bitte Sie hiermit offiziell um die Ausstellung eines Haftbefehls. Er muss sofort festgenommen werden. Er ist unberechenbar, womöglich flieht er oder begeht einen weiteren Mord.«
    »Und mit welcher Begründung bitte? Was können wir ihm denn vorhalten außer deiner persönlichen Abneigung? Überleg doch mal, wenn Ferdinand Lilja Kolomejez tatsächlich in einem Anfall von Leidenschaft getötet hat, dann hätte er wohl kaum die Wohnung leer geräumt. Und warum sollte ein Shakespearescher Held wie er in einem Handarbeitskorb wühlen und im Müllhaus Wollknäuel auseinanderreißen?«
    »Vielleicht waren die Handarbeitssachen für ihn eine Art Symbol?«, mutmaßte Kossizki hastig. »Liljas Selbstständigkeit war ihm viele Jahre ein Dorn im Auge. Jeder, der sie kannte, sagt, sie habe sich ausschließlich für ihre Arbeit interessiert. Und den Raub hat er einfach zur Ablenkung inszeniert.«
    »Zu ordentlich für ein Ablenkungsmanöver. Wenn er alles verwüstet hätte …«
    »Er ist schließlich intelligent!«, rief Kossizki. »Ja, er ist schlau und gerissen, der Hundesohn! Er hat uns einen ordentlichenEinbrecher vorgespielt, hat sogar die Fingerabdrücke beseitigt. Und vergessen Sie das Karate nicht. Er hat drei Jahre trainiert, zwar ohne besonderen Erfolg, aber die Grundlagen beherrscht er noch.«
    Der Piepser an Kossizkis Gürtel meldete sich, der Hauptmann sprang auf, las die Nachricht und griff zum Telefon.
    »Natascha? Guten Tag. Hier Kossizki. Ja… Sehr gut, nein, das merke ich mir. Das ist in der Nähe der Taganka, glaube ich. Und wann? Wunderbar, vielen Dank … Der Betriebsausweis von Lilja Kolomejez wurde an die Spielzeugfabrik geschickt«, teilte er Borodin mit, nachdem er aufgelegt hatte. »Eine Putzfrau hat ihn in einem Café gefunden, zwei Tage vor dem Mord. Ich fahre gleich hin.« Er wandte sich zur Tür, drehte sich auf der Schwelle noch einmal um und sagte sehr langsam: »Aber dieser Lunz muss verhaftet werden. Hier und jetzt.«
    »Da bin ich mir keineswegs sicher. Komm, setz dich noch mal; zehn Minuten, länger halt ich dich nicht auf.« Borodin nahm eine Mappe aus der Schreibtischlade, schlug sie auf, kramte in den Papieren und reichte Iwan eine in einer Plastikhülle steckende herausgerissene Heftseite. »Hier, wirf mal einen Blick darauf.«
    »Lika, wenn Du wüsstest, wie dringend ich mit Dir sprechen muss. Ich begehe schon wieder eine Dummheit und Gemeinheit«, las Iwan, die unsichere, hastige Schrift mühsam entziffernd, »ich treffe mich wieder mit dieser Frau, hinter Deinem und Mamas Rücken. Sie bietet mir Geld an. Damit ich endgültig aus dem Leben ihres Sohnes verschwinde. Als würde ich ihn dauernd anrufen und ihm vor der Haustür auflauern. Sie möchte nach wie vor zu gern einen Schuldigen finden! Wenn ich das Geld ablehne, wird sie mich einfach umbringen. Aber ich werde ihr verdammtes Geld nehmen. Betrachten wir es als Alimente. Ljussja hat keinen Wintermantel, Mama läuft in kaputten Stiefeln herum. Ich möchte, dass Du Bescheid weißt. Wenn mir etwas Schlimmes zustoßensollte, dann denk dran, das

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