Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
Vom Netzwerk:
seinen Puls gefühlt hatte, also beugte sie sich zu ihm hinunter und tastete nach seinem Arm.
    Oleg hatte noch Puls. Matt und stockend, aber immerhin. Und das seltsame Geräusch war ein leises, heiseres Schnarchen. Raïssa rüttelte mit aller Kraft an Olegs Schulter, sie verstand nicht, wie er so fest und so lange schlafen konnte. Im donnernden Gewitter, im strömenden Regen, unter dem Geheul der Hunde und ihrem eigenen Geschrei hatte er geschlafen wie ein Toter. Aber er lebte, Gott sei Dank, er lebte!
    »Oleg!«, schrie sie ihm so laut sie konnte ins Ohr.
    »Ja? Was ist?«, reagierte er heiser.
    »Du schläfst seit fast vierundzwangig Stunden! Du hast mich zu Tode erschreckt! Wir müssen den Notarzt rufen!«
    »Wozu?«
    »Das ist doch nicht normal, so lange zu schlafen.«
    »Doch.«
    »Weißt du, dass Xenia mit dem Kind weg ist?«
    »Hmhm.«
    »O Gott, was seid ihr nur für Menschen, wirklich! Na schön, steh auf, komm ins Haus.«
    Raïssa hielt ihm die Schulter hin, damit er sich darauf stützen konnte, er wälzte sich schwerfällig darauf, schaffte es mit ihrer Hilfe gerade so bis zur Veranda, ließ sich dort aufs Sofa fallen und schlief erneut ein.

Vierzehntes Kapitel
    Am frühen Morgen stieß Borodin bei der Durchsicht der Meldungen von der vergangenen Nacht sofort auf den Mord in der Kalugaer Gasse. Angeblich war die Simakowa von ihrem volltrunkenen Lebensgefährten Rjurikow getötet worden.
    »Zahlreiche Messerstiche«, murmelte Borodin vor sich hin.
    Ihm fiel sofort ein, wie gereizt Rjurik immer wieder gesagt hatte »dummes Weib«. Er seufzte und ging Wasser in den Elektrokocher füllen.
    Schon wieder Mord aus Leidenschaft? Aus Eifersucht? Oder nach der banalen Formel: Von der Liebe zum Hass ist es nur ein Schritt? Rjurik hatte seine Frau satt, und deshalb das Blutbad? Oder weil seine Kumpels gehöhnt hatten, etwa: Hast uns gegen ein Weib eingetauscht? Alkoholiker haben oft ein krankhaft gestörtes Selbstwertgefühl.
    Aber wenn man bedenkt, dass Simka meine einzige Zeugin war, klingt die Hypothese »tödliche Leidenschaft« kaum überzeugend. Achtzehn Messerstiche. Ströme von Blut. Ein Ritual, eine Show. Auch beim Mord an Lilja Kolomejez hattees ein Element von Maskerade gegeben – die Teufelsmaske. Aber nein, das war Unsinn. Simka hat das Gesicht des Täters gar nicht gesehen. Außerdem muss er doch wissen, dass sie bereits ausgesagt hat. Stop. Warum muss er das wissen? Und wenn Simka den Teufel mit den roten Hörnern nur erfunden hat?
    »Ja, vielleicht hat sie ihn erfunden«, murmelte er, als er mit dem Wasserkocher in sein Büro zurückkehrte, »oder sie hat ihn sich eingebildet. Wer so viel trinkt, sieht schon mal böse Geister.«
    Borodin griff mechanisch zum Telefon und wählte Solodkins Dienstnummer. In der Redaktion ging niemand ran. Aber es war auch erst neun, vermutlich fing der Arbeitstag dort später an. Er rief bei Solodkin zu Hause an, lauschte eine ganze Weile dem Amtszeichen und wollte schon auflegen, als eine helle Stimme gereizt sagte: »Ja! Hallo!« Ganz in der Nähe weinte herzzerreißend ein Baby.
    »Guten Morgen, könnte ich bitte Oleg Solodkin sprechen?«
    »Er ist auf der Datscha!«
    »Xenia Michailowna?«, fragte Borodin rasch, bevor sie auflegen konnte.
    »Ja. Aber ich kann jetzt nicht sprechen, mein Kind weint.«
    »Das höre ich. Wann darf ich Sie noch einmal anrufen?«
    »Sie wollen doch Oleg sprechen, ich gebe Ihnen seine Handynummer.« Sie diktierte sie und legte auf. Borodin versuchte es sofort unter dieser Nummer, vernahm aber nur eine Automatenstimme: »Der Teilnehmer ist zur Zeit nicht erreichbar.«
    »Nicht erreichbar, nicht erreichbar«, murmelte Borodin wütend. »Ob ich einen Mitarbeiter zur Datscha schicke? Oder selbst hinfahre? Oder treffe ich mich lieber erst mit der jungen Frau? Und wieso ist sie eigentlich bei der Hitze mit dem Kind in Moskau, wenn er auf der Datscha ist?«
    Der Revierchef sah Unterleutnant Teletschkin mit runden Augen an und schwieg qualvoll lange.
    »Was mischst du dich da ein?«, fragte der Chef müde. »Hörst du dir eigentlich mal selber zu? Die Obdachlose Simka hat vor der Metro getanzt, und du hast bemerkt, dass sie von einem Jungen mit Hakenkreuz beobachtet wird, und dann bist du diesem Jungen auf dem Weg zu Simkas Haus begegnet, und daraus schließt du wachsamer Ordnungshüter, dass sich in unserem Revier ein Serienmörder rumtreibt?«
    »Erstens war das kein Junge, sondern ein erwachsener Mann von fünfunddreißig oder

Weitere Kostenlose Bücher