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Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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vierzig.«
    »Gut. Was spielt das für eine Rolle?«
    »Eine große. Warum läuft er so rum? Verstehen Sie doch, er hat uns beobachtet. Er ist erst Simka gefolgt, dann mir«, beharrte Kolja. »Er stand dicht neben unserem Tisch, er kann gehört haben, worüber Simka und ich sprachen. Und dann auf dem Markt ist er mir ganz offen gefolgt.«
    »Hör mal, Kolja, du leidest an Verfolgungswahn, du solltest mal zum Doktor. Wie kommst du darauf, dass der Mann deinetwegen auf dem Markt war?«
    »Warum denn sonst?«, fragte Kolja mürrisch.
    »Himmeldonnerwetter!« Der Chef verdrehte vielsagend die Augen. »Zum Einkaufen – Gemüse, Seife und Zahnpasta! Da ist nämlich alles wesentlich billiger als im Laden. Hör auf mit deinen Privatermittlungen oder kündige bei der Miliz und werde Privatdetektiv. Ehrlich, du gehst mir gewaltig auf die Nerven. Streng gefälligst deinen Dickschädel an, bevor du dumme Schlüsse ziehst!«
    »Ich habe überhaupt keine Schlüsse gezogen«, knurrte Kolja, »ich habe nur gefragt, wie viele Messerstiche es waren.«
    »Mann, du nervst, Teletschkin.« Der Chef seufzte leise, lief plötzlich rot an und brüllte: »Wozu willst du das wissen, he? Du hältst dich wohl für besonders schlau, ja?« Er schlug so heftig mit der Faust auf den Tisch, dass die Papiere darauf aufhüpften. Der Diensthabende steckte den Kopf zur Türherein, der Chef verzog das Gesicht, winkte ab und blaffte: »Alles in Ordnung!«
    Die Tür wurde geschlossen. Der Chef schnaufte geräuschvoll, atmete durch und sagte schließlich ganz ruhig, geradezu freundlich: »Erklärs mir, Teletschkin, rein menschlich. Warum tust du das? Weil du so furchtbar ehrenhaft bist? Weil du allen beweisen willst, dass du als Einziger hier selbstlos gegen das Verbrechen kämpfst und wir anderen nur korrupte Sesselfurzer sind?«
    »Ich möchte nur wissen, mit wie vielen Messerstichen die Simakowa getötet wurde«, antwortete Kolja dumpf.
    »Soso«, erwiderte der Chef ebenso dumpf, »du willst es einfach wissen, nur so, sonst nichts.« Er lehnte sich zurück und trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte herum.
    »Verstehen Sie, Genosse Major, die Tote in der Kalugaer, also diese Frau, Lilja Kolomejez … Das war mein erster gewaltsamer Tod; außerdem die vielen Messerstiche und das debile Mädchen … Also, ich kann mir nicht vorstellen, dass das Mädchen den einzigen Menschen getötet hat, der ihr nahestand, das will mir einfach nicht in den Kopf.«
    »Verstehe.« Der Chef nickte. »Ich erinnere mich auch bis heute an meine ersten Leichen. Es waren gleich drei. Eine Großmutter, ein Großvater und ein zwölfjähriger Junge. Alle drei mit durchgeschnittener Kehle. Mir ist alles hochgekommen, ich habs knapp bis zum Klo geschafft. Aber dann hab ich mich dran gewöhnt. Man darf sich nichts zu sehr zu Herzen nehmen, Kolja, das ist die Hauptsache, sonst dreht man eines Tages durch. Verstanden?«
    Kolja nickte. »Jawohl, Genosse Major.«
    »Na also. Das wars, Unterleutnant. Du kannst gehen.«
    »Darf ich noch eine letzte Frage stellen?«
    »Na los, frag schon.«
    Errötend und mit gesenktem Kopf fragte Kolja ganz leise: »Wie viele Messerstiche waren es denn nun bei der Simakowa?«
    »Hergott, du machst mich fertig, echt!« Der Chef lachte schief. »Ich weiß es nicht, ich hab mich mit dem Fall nicht beschäftigt, ich weiß es nicht und Punkt. Und dich hat das auch nicht zu interessieren.«
    »Danke, Genosse Major.« Kolja nickte ergeben. »Kann ich jetzt gehen?«
    »Nein!«, brüllte der Chef. »Setz dich hin und hör mir zu! Die Simakowa wurde von ihrem Lebensgefährten Rjurikow getötet. Eine klare Beziehungstat, die nichts mit irgendwelchen anderen Mordfällen zu tun hat. Serienmörder, mein lieber Kolja, die sind was für Bücher und fürs Kino. Im eigenen Revier wünsche ich solche Dreckskerle nicht einmal meinem schlimmsten Feind. Und ich rate dir eins: Wag ja nicht, mit Borodin Kontakt aufzunehmen!«
    Kolja hatte Mühe, sich zu beherrschen. Er wollte natürlich nicht auf eigene Faust ermitteln, aber er sah zwischen den beiden Morden einen Zusammenhang und war überzeugt, dass der Typ mit dem Bandanatuch nicht wegen billiger Zahnpasta auf dem Markt gewesen war. Kolja hatte ihn später nämlich noch einmal gesehen – vor seiner Haustür. Ohne Tuch, mit dunkler Brille und einer khakifarbenen Windjacke über dem T-Shirt.
    Ob er mich auch umbringen will, fragte sich Kolja spöttisch. Schon möglich… Ich bin der Einzige, der sein Gesicht kennt. Simka

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