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Das Haus der Bronskis

Das Haus der Bronskis

Titel: Das Haus der Bronskis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Marsden
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einer Falle   – in der Falle ihrer eigenen Anfälligkeit, eingesperrt von den fernen Bergen, von den frischgesichtigen Krankenschwestern. Sie sehnte sich nach den Wäldern und nach Druków und Mantuski; sie sehnte sich nach Adam, nach Zofia und nach den Tieren. Sie schrieb Briefe:
     
    Rabka-Sanatorium, 19.   Mai.
    Adam, Liebster,
    es kommt mir vor, als wäre ich schon hundert Jahre hier, jeder Tag ist genau wie der Tag davor. Ich gehe zu den Mahlzeiten. Ich gehe in mein Zimmer zurück. Ich lese, bis mir die Augen vom Lesen weh tun. Ich fühle mich besser, obwohl ich nachmittags so schrecklich müde werde . . .
    Adam, ich habe Dich im Stich gelassen. Was für eine Mutter werde ich abgeben, immer krank und weit weg von meinem Kind? Schreib mir, was es Neues gibt, bitte. Ich denke jeden Augenblick an Dich und meine süße Zofia und Haust und an alle in Druków. Gib ihnen allen einen Kuß von mir.
    Helena.
     
    ***
    Druków, 27.   Mai.
    Wundertätige Helena! Dein Brief kam heute, und ich habe ihn mit hinausgenommen und im Wind geschwenkt. Sei nicht hart mit Dir,
kochana
, sieh Dich nicht so scheel an . . . Denk Dir, heute nachmittag hatte ich einen zottelhaarigen Räuber im Gerichtssaal. Erhatte versucht, das Pferd des Pfarrers zu stehlen. Während er aussagte und eine rührende Geschichte auftischte von den Ställen des Pfarrers und von seiner gerade verstorbenen Mutter, merkte ich plötzlich, daß ich überhaupt nicht zuhörte, sondern an Dich dachte! Du standest in Deinem Pelzmantel vor der
oficyna
, und Deine Wangen glühten im Schnee. »Helutka!« murmelte ich. »Helutka!« Der arme Räuber dachte, ich wäre verrückt! Ich mußte ihn laufen lassen . . . Haust hat ein sehr trauriges Gesicht und vermißt Dich sehr . . .«
     
    ***
     
    Rabka-Sanatorium, 1.   Juni.
    . . . Heute habe ich den Nachmittag auf der Terrasse zugebracht. Die Bienen waren unermüdlich   – was für einen Lärm sie gemacht haben! Ich habe eine Menge gelesen. Es gibt sonst nichts zu tun. Einige dieser polnischen Schriftsteller mit ihrer unentwegten Parteinahme sind es wirklich nicht wert, aber ich liebe die Skandinavier. Ich habe Ibsen gelesen. Ich habe eine liebe Frau aus Wilna kennengelernt, die irgendwelche fürchterlichen Verschleißerscheinungen hat, aber wir heitern einander mit Gesprächen über Wilna und Mickiewicz auf. Wie geht es den Pferden?
    ***
     
    Druków, 11.   Juni.
    . . . Ich habe versucht, Gniadka einzuspannen, sie hat einen Schwingstock zerbrochen und sich dann geweigert zu pflügen, aber Siwka hat sich wie ein Engel anschirren lassen. Ich habe heute acht Hennen nach Mantuski geschickt! Der Pfarrer ist sehr wütend wegen des Räubers, aber ich konnte es ihm doch nicht erklären! Haust geht es gut. Dem Baby geht es gut. Aber wir allefragen   – wo bist Du? O meine Liebste! Mein Zugvogel! Wir denken alle an Dich. Die Welt ist herrlich, wenn ich bei Dir bin. Wohin ich meine Augen wende   – überall sehen sie Dich! Ich werde jetzt auf die Felder gehen und im Buchweizen, zwischen den Kiefern, auf den Lichtungen im Wald nach Deinem Gesicht Ausschau halten. Ich küsse Deine Lippen, mein Liebling. Meine Lippen schmerzen richtig vom Küssen . . .
    ***
    Rabka, 20.   Juni.
    Adam, Liebster, alles ist fast genauso wie zuvor. Ich sehe aus dem Fenster. Ich beobachte die Wolken über den Hügeln. Was für eine Qual das alles ist! Ich muß unbedingt von hier fort. Ich denke an Zofias weißes Gesichtchen und frage mich, warum Gott mir ihre ersten Monate verweigert hat. Heute ist hier ein junger Soldat gestorben, an einer Beinwunde, die er sich im Kampf gegen die Bolschewisten zugezogen hat. Er sah wie siebzehn aus. Es wurde eine Messe für ihn in der Kapelle gehalten . . .«
    ***
     
    Druków, 1.   Juli.
    Liebste Helena, ich bin in unserem Schlafzimmer in der
oficyna
. Es ist mitten in der Nacht. Ich habe einen Schlafrock von vor dem Krieg gefunden. Die Stille summt in meinen Ohren. Zofia schläft. Vor zwei Tagen bin ich in Mantuski gewesen, das Dach ist fast fertig! Eine Henne ist gestorben, aber die anderen legen gut. Morgen muß ich einer Autopsie beiwohnen. Die Ärzte werden den Leichnam aufschneiden, und ich werde Fragen stellen. Uff!
    . . . Gute Nacht, meine Hela, die Hähne fangen an zu krähen. Überall sind Mäuse. Wir müssen Mausefallenkaufen. Ich bin sehr müde, und meine Hand wird immer langsamer. Gute Nacht, meine teure Liebste, Adam.
    ***
     
    Rabka, 16.   Juli.
    . . . Ich habe beschlossen, nach Hause zu kommen,

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