Das Haus der Bronskis
landwirtschaftliches Gerät; dazwischen stand Helenas versiegelterBienenkorb; an einer Karrenseite war ein Paar Holländerkühe angebunden. Die Zügel der
bryczka
lagen in Adams Händen; zu seinen Füßen lagerte die Retrieverhündin Elta mit ihren vier Wochen alten Jungen.
Der zweite Karren, dem Siwka und Gniadka vorgespannt waren – die zwei Pferde, die ihre Hochzeitskutsche gezogen hatten –, war innen mit Kissen und Teppichen ausgelegt. In ihm saßen Tekla und die Kinder – Zofia in einen Wieselpelzumhang gewickelt, ihr Bruder im Schoß seiner Amme.
Und neben ihnen allen her ritt Helena auf der neuen Stute: ». . . vierundzwanzig Jahre alt, ernsthaft, aufgeregt, pflichtbewußt . . . Ich trabte neben den Karren auf und ab, als sie anfuhren, redete auf Adam ein, mahnte die Mädchen, die Kinder vor dem Wind zu schützen . . .«
Den ganzen Morgen fuhren sie durch Wald. Im Lauf des Nachmittags lichteten sich die Bäume, und zwischen ihnen tauchte das glitzernde Band des Njemen auf. Sie überquerten den Fluß und fuhren auf das Haus zu.
Helena ritt vorneweg. Das neue Haus hatte zu jeder Seite der Vortreppe fünf Fenster und an einem Ende einen dreistöckigen Turm. Sie saß ab und ging hinein. Die Luft war kühl und feucht; es roch nach Kalk und frischer Farbe. Alles war so sauber und weiß wie in einem Krankenhaus. Die Zimmer waren leer, und die tiefstehende Sonne schien ungehindert auf die nackten Dielenbretter. »Wir müssen seine Seele finden«, erinnert sie sich, gedacht zu haben, »wir müssen die Seele des Hauses finden und es mit Stimmen füllen . . .«
Draußen hatte sich eine kleine Gruppe von Dorfbewohnern versammelt, um die Ankunft der Brońskis zu beobachten. Mit steinernen Mienen ließen sie ihre Augen über den Inhalt der Karren wandern.
Adam sprang von der
bryczka
und begrüßte sie.
»Na, Panoczek«, sagte einer von ihnen und lachte, »da haben wir ja wieder was zum Plündern.«
Helena schrieb, wie es sie bei diesen Worten kalt überlief, und schloß ihren Bericht mit dem Gedanken:
In den ersten Jahren in Mantuski lebten wir wie in einem brodelnden Kessel – umgeben von Bauern, Deutschen, Bolschewisten . . . wohin treibst du, Polen, wohin?
Diesen Winter machten sie zwei oder drei Zimmer auf der Flußseite des Hauses bewohnbar. Adam und Bartek zimmerten ein paar Bettstellen aus Birkenbrettern, einen Tisch und einen Waschtisch aus Birke. Helena schrieb: »Wir führten den ersten Winter ein Kosakenleben, aber es gab nur wenig, das uns Sorge machte . . .«
Einen Abend hielt Helena in ihrem Notizbuch fest. Es war Mitte Dezember, und Adam und sie saßen in ihrem provisorischen Eßzimmer. An einer Wand hing ein Wolfsfell. Der Tisch war von Abendbrotresten übersät – ein paar Äpfel, Käse, eine Schüssel Salzheringe, ein Brocken Schwarzbrot.
Adam erzählte, was er den Tag über getan hatte, daß er den Schnee vom neuen Scheunendach geräumt hatte, erzählte von seinen Plänen, im Frühling den Obstgarten einzuzäunen, und von der Jagd im Moryner Wald.
»Und der neue Schlitten«, fragte Helena, »hast du die Kufen gewachst?«
»Längst erledigt,
kochana
!«
Der Samowar gurrte in der Ecke; das Holz knisterte im Herd; Haust lag ausgestreckt davor.
Helena stand auf und ging zum Fenster hinüber. Sie zog die Vorhänge zurück. Der Mond war beinahe voll. Sie legteeine Hand auf das Glas und sagte: »Adam, warum probieren wir diesen neuen Schlitten nicht aus?«
Sie tranken jeder einen großen Aufmunterungsschluck, dann verließen sie das Haus. Sie gingen über die Einfahrt zum halbfertigen neuen Stall. Die Nachtluft prickelte auf ihren Wangen, aber es war windstill. Über den südlichen Himmel zog sich die lange Kartusche einer Wolke, die am oberen Rand silbrig im Mondlicht schimmerte.
Der Schnee war funkelnd weiß. Der Fluß sah aus wie ein langes, mit Zuckerbröseln bestreutes Tischtuch; und hier, nur Zentimeter oberhalb des Njemen, probierten sie den neuen Schlitten in jeder Gangart aus.
Helena lenkte. Sie fuhr flußaufwärts Richtung Osten, auf die russische Grenze zu. Der Mond stand wenige Grad südlich von ihrem Kurs, doch als der Fluß eine Biegung machte, schwenkte das Licht über ihren Pfad und löste sich vom Schnee, um ihnen in die Augen zu scheinen.
Adam rief lachend über den Fahrtwind hinweg: »Schneller, Helutka!«
Sie schnalzte mit den Zügeln, und die Pferde steigerten ihr Tempo noch einmal. Die Kufen durchschnitten den Schnee; die Pferde zogen mit
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