Das Haus der Bronskis
Hektar Kiefernwald und etwa eintausend Hektar Heuwiesen und Weideland, hauptsächlich entlang des Njemen. Die Krume war magerer Sandboden; das war der Grund für die allgemeine Armut der Dörfer. Hafer und Buchweizen waren am einfachsten zu ziehen, aber da es reichlich Rindermist gab, wurde immer wieder mit neuen Feldfrüchten experimentiert.
In den ersten zwei Jahren wurde nur genug Käse für das Haus und die
parobcy
hergestellt. Helena selbst befaßte sich damit, brachte die Milch zum Gerinnen, teilte denBruch mit einem Käsespatel in Würfel, preßte sie und wendete sie täglich auf ihren Regalen in dem Spezialkeller nahe dem Flußufer.
Der
dwór
hatte keinen Strom. Adam hatte gesagt, wenn das Dorf Strom bekomme, dann auch Mantuski, aber nicht vorher. (Letztlich erreichte die Stromversorgung erst 1961 die Kolchose Mantuski.)
In der Küche regierte Urszula. Den Sommer über legte sie Gurken ein und kochte Kompott aus Kirschen, Pflaumen und Birnen. Sie war eine hervorragende Köchin, beklagte sich jedoch beständig über Helenas Hunde. »Zu was sind Hunde nütze?« war ihre Rede. »Sie geben weder Pelz noch Milch, noch Fleisch.«
Helena legte die Obstgärten 1924 an. Sie gediehen rasch. Apfelbäume, Birnbäume, Kirschbäume und mittendrin die von Druków mitgebrachten Bienenstöcke. Zur selben Zeit pflanzte sie auch eine Lärche (die als einziger Baum den Krieg überstand und uns zu den Trümmern des Hauses geleitet hatte). Es gab Gewächshäuser mit Tomaten und sogar Melonen. Jeden Mittwoch verkaufte Waldek den Überschuß in Iwje auf dem Markt und kam mit Salz, Paraffin, Petroleum und »Kolonialwaren« wie Zucker und Kaffee zurück.
In Mantuski gab es einen Zimmermann und einen Hufschmied. In gemeinschaftlicher Arbeit bauten sie alle Karren und Kutschwagen und in den Anfangsjahren einen Großteil der Möbel. Von Lida wurden jeden Winter Eisenstangen geliefert, die geschmolzen und zu Ofentüren, Teilen fürs Pferdegeschirr und Nägeln geschmiedetwurden. Der Schmied war ein hochgewachsener und ernster Mann, der zurückgezogen lebte und dem man das Zweite Gesicht nachsagte.
Pferde. Mantuski war berühmt für seine Pferde. Jeder der
parobcy
war für zwei Arbeitspferde verantwortlich. Helena bot einen hohen Bargeldbonus für das am besten gehaltene Paar. Sie war gewöhnlich entsetzt von den klapperdürren Tieren, die sie auf anderen Gütern sah. Der gute Gesundheitszustand der Pferde von Mantuski habe sie 1939 gerettet, sagte Zofia.
Es waren immer Bücher im Haus, paketweise aus Wilna mitgebracht. Bücher auf französisch, englisch, deutsch und polnisch. Wochenzeitungen kamen mit der Post, und in späteren Jahren lag stets ein Exemplar der Pariser
Revue des deux mondes
, die sie abonniert hatten, auf einem runden Holztisch in der Bibliothek. Dies, fügte Zofia hinzu, war die Zeitschrift, die immer die interessantesten Gespräche auslöste.
Nach dem Frühjahrshochwasser im April weidete die Herde auf den Flußwiesen. Sie verließ die Kuhställe jeden Morgen nach dem Melken um 4 Uhr früh. Zum Mittagsmelken wurden die Milchkannen zu den Weiden hinausgefahren, die Kuhmägde saßen auf den Wagen. Unmittelbar danach wurde die Milch aufgeteilt, ein Teil wurde für das Haus, die Kälber und die
parobcy
beiseite getan, der Rest zum Käsen verwendet.
Im Sommer schwamm Helena jeden Morgen im Fluß. Nach dem Frühstück machte sie ihre »Runden« –ritt zur Käserei, den Kuhställen und besuchte Kranke im Dorf.
Mehr als alles andere zeigen Helenas Aufzeichnungen aus dieser Zeit ihre innige Beziehung zum Land. Wenn sie vom Land sprach, dann immer mit Leidenschaft, wenn nicht Ekstase. Und doch schrieb sie 1933:
Die Einsamkeit von Mantuski! Sie ist kein Spaß. Niemand kommt im Winter. Keine verwandte Seele, mit der man reden könnte. Niemand, den man um Rat fragen kann. Adam ist immer fort, und wenn er sonntags zurückkommt, stehen die Leute Schlange, um ihn zu sprechen. Ich bin noch jung und Geselligkeiten, Theater und Unterhaltung gewöhnt. Und alles, was es hier gibt, sind Dörfer mit weißrussischen Bauern, die einen Groll auf uns haben. Ich bin für jedes menschliche Wesen und für jedes Tier im unmittelbaren Umkreis und für die Lösung jedes Problems verantwortlich. Die eisige, weiße, schweigende Einsamkeit dieser Winter, die endlosen grausamen Winter. Sie haben mich gebrochen, und ich fühle mich ständig krank und unglücklich . . .
Mehrere Jahre später
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