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Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Titel: Das Haus der Feuerfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Büchner
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Wir wetteiferten miteinander, wer sich traute, in den Garten zu schleichen und durch die Milchglasfenster des Leichenkellers hineinzuspähen. Obwohl wir nur Schatten sehen konnten, war es furchtbar aufregend. Nun ja, und als dann die Tragödie mit Ricky passierte ... sehen Sie, das machte alles natürlich noch viel schauriger, dass er sich da drinnen umgebracht hatte und dass wir alle wussten, was für einer er war. Wir gingen ja in dieselbe Schule. Er war zwei Klassen über mir und meinen Freunden, aber wir kannten ihn gut. Jeder kannte ihn.“
    „Und wie war er?“, erkundigte ich mich, obwohl die Beiträge in den Anthologien mir bereits ein sehr lebhaftes Bild von Ricky gemalt hatten.
    „Er war ein riesen Arschloch“, erklärte Paul Mannlicher. Ich spürte, dass diese Aussage aus seinem tiefsten Herzen kam. „Und das nicht nur, weil ihn die Schule nicht interessierte und weil er den Lehrern jede Menge Ärger machte. Das hätte uns Jungen damals nicht weiter gekratzt. Aber er war genau der Typ, der sich immerzu auf die Kleinsten und Schwächsten stürzte und sie fertigmachte ... auf jede Weise fertigmachte, verbal und mit Prügeln. Mein Gott, wenn ich denke, was für widerliche Spitznamen er für mich hatte! Bei jeder Gelegenheit stellte er mir ein Bein und fiel über mich her... Hühnerpopo nannte er mich, Hühnerpopo! Es war einfach ekelhaft.“
    Ich versuchte mir vorzustellen, wie Paul Mannlicher mit 15 ausgesehen hatte. Schlaksig, sensibel und zickig. Zweifellos war er das ideale Opfer für einen klobigen, bösartigen Bully gewesen.
    „Nun“, fuhr der Musikalienhändler fort, „dann brachte er sich um, und sofort waren wüste Geschichten im Umlauf, was da nun wirklich passiert war. Seine Eltern gaben Wolfram Hartmann die Schuld; sie behaupteten, er hätte ihn so grausam misshandelt, dass Ricky sich aus Angst vor ihm das Leben nahm. Aber das war Unsinn. Hartmann konnte keine Fliege zerquetschen. Er war ein netter Mann, wirklich nett, obwohl wir uns seines Berufs wegen alle vor ihm fürchteten. Er
roch
einfach so eigenartig, und seine Hände waren schneeweiß von dem vielen Waschen und Desinfizieren ...“
    „Also war Herr Hartmann nicht der Grund für Rickys Selbstmord?“, führte ich ihn zum Thema zurück. „Was dann?“
    Mannlicher lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Sein langes, sanftes Balduin-Bählamm-Gesicht nahm einen herausfordernden und geradezu boshaften Ausdruck an. „Nun“, zischelte er, „Ricky befasste sich mit schwarzer Magie. Die ärgsten Gerüchte waren im Umlauf, was er alles trieb. Er zeigte uns eine Menge Dinge ... zeigte sie uns, damit wir uns vor ihm fürchten und vor ihm Respekt haben sollten. Und wenn Sie mich fragen, dann sage ich Ihnen, Ricky meinte es ernst. Er war keiner von diesen Micky-Maus-Satanisten, die sich auf dem Friedhof betrinken und sich dann vor ihrem eigenen Schatten fürchten. Er meinte es verdammt ernst. Also meinte es vielleicht die andere Seite auch ernst, und er bekam mehr, als er eigentlich hatte haben wollen.“
    Ich entnahm diesen kryptischen Äußerungen fürs Erste nur, dass Paul Mannlicher auch nach zwanzig Jahren nicht mit dem Hass und der Furcht fertig geworden war, die er für den unheimlichen Schulkameraden empfunden hatte. Sein Gesicht war das eines kleinen Jungen, als er die gefalteten Hände zwischen die Knie klemmte und wisperte: „Es durfte niemand den Mund aufmachen, weil seine Eltern reich waren und das große Sagen hatten, aber die Leute dachten sich ihr Teil, oja! Ob Sie es glauben oder nicht, er wurde nicht einmal hier auf dem Friedhof begraben! Seine Eltern mussten ihn in einem anderen Teil der Stadt beerdigen lassen, wo man nichts von ihm wusste, denn hier gab es Unruhe. Ich glaube ja, dass es Hartmann war, der geplaudert hat.“
    „Worüber geplaudert?“
    Mannlicher ignorierte meine Zwischenfrage – besser gesagt, er beantwortete sie auf seine eigene Weise. Er schien tief in der Vergangenheit versunken zu sein. „Rickys Eltern wollten den Bestatter verklagen, aber dann redete er einmal lange mit ihnen, sehr lange, und danach war keine Rede mehr vom Verklagen, obwohl sie einander nie wieder gegrüßt haben, die Kossacks und Wolfram Hartmann. Also wusste er irgendetwas von Ricky, nicht wahr? Es ging ja bald das Gerede um, Ricky hätte sich nur in das Bestattungs-Institut gedrängt, weil er da drinnen seine Magie treiben konnte. Weil er dort alles hatte, was er dazu brauchte. Sie wissen schon ...

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