Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
konnte er nichts weiter aussagen, als dass „ein weißes Ding“ ihn in dem verlassenen Leichenkeller attackiert hatte. Die Angestellten des Bestatters hatten, wie Krankenpfleger, weiße Kittel getragen.
Die Zeitungsmeldung endete mit dem Vermerk, dass es 1977 einen Selbstmord in dem Gebäude gegeben hatte. Ein junger Gehilfe des Bestatters, Ricky Kossack mit Namen, hatte sich im Keller erhängt. Der Grund für den Selbstmord war vermutlich eine plötzliche, für Jugendliche so charakteristische Depression gewesen, als Hartmann ihn wegen eines Diebstahls gekündigt hatte.
Ich war aufs höchste angespannt, als ich auf den Hyperlink klickte, mit dem der Name „Ricky Kossack“ unterlegt war.
Tatsächlich! Ich bekam zwei Treffer.
Als ich sie öffnete, fand ich, dass es zwei Varianten derselben Geschichte waren. Ricky Kossack hatte es zu einem Stammplatz in zwei verschiedenen Anthologien gebracht, die sich mit Verbrechen aus religiösen und okkulten Motiven beschäftigten.
Das dazugehörige Foto zeigte einen bulligen jungen Burschen mit einem Schopf schwarzer Haare und einem breiten, käsebleichen Gesicht voller Pickel, einem Gesicht, dessen kleine, tückisch schillernde Augen an die eines Schweines erinnerten. Ein typischer Wichser – selbst auf dem Foto schien er einen unangenehmen, Brillantine-ähnlichen Geruch auszuströmen.
Kossack stammte aus einem wohlhabenden Elternhaus in der Larabaya-Straße; sein Vater war ein erfolgreicher Geschäftsmann, aber der Sohn ließ durch nichts erkennen, dass er einmal in seine Fußstapfen treten würde. Er war schon in der Schule unangenehm aufgefallen, wo Lehrer bereits den 12-Jährigen als „sozial und emotional verkümmert“ beschrieben hatten, und mit zunehmenden Jahren war es eher schlechter als besser mit ihm geworden. Ein verwöhntes Muttersöhnchen, war Ricky offenbar von Kind auf in der Meinung bestärkt worden, dass er zu Höherem berufen sei als zum Lernen und Arbeiten. Er hatte sich mit dem Flair eines Satanisten umgeben, was speziell einige seiner jüngeren Mitschüler so beeindruckte, dass sie ihm in hündischer Ergebenheit nachliefen.
Nachdem er mit siebzehn wegen eines brutalen Angriffs auf einen Mitschüler aus der Schule geflogen war, hatte er eine Aushilfsstelle in Hartmanns Bestattungs-Institut angenommen. Anscheinend hatte er dabei jedoch anderes im Sinn gehabt, als sich ein ehrliches Taschengeld zu verdienen, denn eines Nachts hatte ihn der Bestatter beim Leichenfleddern erwischt. Jedenfalls war damals und später von einem
Diebstahl
die Rede gewesen, aber die Autoren warfen die Frage auf, ob sich dahinter nicht ein anderes und weit schlimmeres Fehlverhalten verbarg, das nur aus Rücksicht auf Rickys einflussreiche Eltern nie bei Namen genannt worden war.
Wie auch immer: Nachdem sein Chef ihn ertappt hatte, hatte Ricky eines der Laken, mit denen die Toten verhüllt wurden, in Streifen gerissen und sich damit an der Dusche erhängt. Hartmann hatte ihn gefunden, als er wenig später in den Keller zurückgekehrt war. Er hatte ihn zu reanimieren versucht, aber es war zu spät. Ricky war tot, und er war einen grausigen Tod gestorben: Sein Gesicht und sein Hals waren blutig gekratzt worden, als er, schon mehr tot als lebendig, versucht hatte, seinen Entschluss rückgängig zu machen und sich die tödliche Schlinge von der Kehle zu reißen. Selbst der altgediente Bestatter war entsetzt gewesen, als er ihn da am Hals aufgeknüpft wie einen Sack an der Dusche hängen gesehen hatte, das Gesicht purpurrot aufgedunsen, mit vorquellenden Augen und schwärzlich geschwollener Zunge, die wie der Zipfel einer Blutwurst zwischen den blauen Lippen hervorragte.
Es war aber nicht allein der unerfreuliche Anblick eines Erhängten gewesen, der den Mann zutiefst erschreckt hatte. Da waren, wie der Bericht vermerkte, „unnatürliche Erscheinungen“ an der Leiche gewesen, die nicht nur dem schockierten Chef, sondern auch den eilig herbeigerufenen Polizisten aufgefallen waren und für die sie alle keine Erklärung gehabt hatten. Worum es sich dabei jedoch handelte, war nicht erklärt worden. Wahrscheinlich hing dieses Schweigen damit zusammen, dass die Kossacks zu der Zeit, als die Bücher verfasst wurden, noch gelebt hatten und von ihnen Klagen oder Beschlagnahmungen zu befürchten gewesen waren.
Interessanterweise war vermerkt, dass die Eltern Kossack zuerst vorgehabt hatten, den Bestatter als den Schuldigen am Selbstmord des Jungen vor Gericht zu bringen, diese
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