Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
Ursprünglich reiche Leute, war sie immer weiter heruntergekommen und verarmt. 1910 war der letzte Schwertsak kinderlos verstorben, worauf das Gebäude bis Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verschiedene unauffällige Besitzer gehabt hatte. In dieser Zeit waren auch die
Art-deco
-Pfeiler auf der Fassade angebracht worden.
Während des Krieges war es ein Lazarett für verwundete Soldaten gewesen. In den Wirren nach dem Krieg hatten die Besitzer wiederum häufig gewechselt, ohne dass von irgendeinem etwas Besonderes zu vermelden gewesen wäre. 1972 hatte es ein Mann namens Wolfram Hartmann gemietet und ein Bestattungs-Institut darin eingerichtet, das 1977 in Konkurs ging. Da die Liegenschaft massiv mit Hypotheken belastet war, war sie im Zuge des Konkursverfahrens an den Hauptgläubiger, die Zentralbank, gegangen. Die Banker hatten die Verwaltung der Makler-Firma übergeben, mit deren Vertreter wir gesprochen hatten.
Ich war nicht frei von Aberglauben, und mir pochte das Herz bei dem Gedanken, in ein Haus zu ziehen, das seinen Besitzern offensichtlich Unglück brachte – schließlich war meine Karriere stark von Glück und Zufall abhängig.
Zu Hause angekommen, versuchte ich mich auf meine dringlichste Arbeit zu konzentrieren, aber der Gedanke an das Totenhaus ließ sich nicht wegschieben. Was für ein Zufall, dass wir am selben Tag Geburtstag hatten! Dazu kam, dass mein fünfzigster Geburtstag eine eindringliche, fast prophetische Bedeutung für mich hatte, und das nicht nur, weil er in das Jahr des Millenniums fiel. Es war in diesem Jahr auch ziemlich genau zwanzig Jahre her, dass ich angefangen hatte, ernsthaft Horror-Romane zu schreiben. Es waren keine schlechten Romane geworden, die ich seitdem geschrieben hatte, aber die Ideen, die ich damals entwickelt hatte, waren die Ideen einer Dreißigjährigen; sie passten nicht mehr zu mir, so wenig, wie mir die Kleider dieser Epoche noch passten, und wenn ich sie aus Trägheit und Gewohnheit wieder aufzunehmen versuchte, waren sie blass und blutleer geworden. Ich hatte in jeder Hinsicht das Gefühl, dass sich ein Lebenszyklus seinem Ende zuneigte. Mein altgewohntes Leben begann wie aufgewärmtes Essen zu schmecken. Ich wusste aber noch nicht, was ein neuer Zyklus bringen würde, und manchmal erschien mir die Zukunft so bedrückend reizlos wie ein mit grauer Ölfarbe ausgemalter Keller. Wenn ich mir die Frauen ansah, die, so wie ich, Ende vierzig waren, dann sah ich resignierte Muttis vor mir, die mit topfähnlichen Filzhüten auf dem Kopf in Konditoreien hockten und sich über Gallenleiden unterhielten. Die Welt jenseits der Fünfzig bestand aus Übergewicht, Depression, Wasser in den Beinen und sozialer Verachtung. Wer den magischen Rubikon überschritt, hatte den ersten Schritt in den Wartesaal zum Tode getan.
Ständig gingen mir Gedanken durch den Kopf, und da ich merkte, dass ich mit meiner Arbeit ohnehin nicht weiterkam, sicherte ich die Datei und fing stattdessen an, im Internet herum zu surfen. Das war meine Beschäftigung Nummer eins, wenn mir nichts einfiel. Einem skurrilen Einfall folgend, versuchte ich es mit dem Suchbegriff „Spuk“ und „Larabaya-Straße“. Es war eigentlich eine Spielerei, von der ich mir nicht wirklich etwas erwartete, aber zu meiner Überraschung erbrachte sie immerhin drei Treffer.
Ich lud mir die Seiten herunter und begann neugierig zu lesen.
Die Treffer waren Meldungen aus einer Tageszeitung und zwei Lokalzeitungen, die sich alle auf dasselbe Ereignis bezogen. Kurz, nachdem Wolfram Hartmann mit seinem Etablissement in Konkurs gegangen war und das Haus leer stand, hatten ein paar Jungen aus der Nachbarschaft nichts Besseres zu tun gehabt, als eines Abends dort einzudringen. Sie hatten eine Mutprobe veranstaltet, bei der einer von ihnen mit einer Taschenlampe in den Keller vordringen und zum Beweis eine Kachel mitbringen musste. Die anderen hatten mittlerweile im Flur nahe der Eingangstüre gewartet.
Plötzlich hatten sie den Prüfling entsetzlich schreien gehört. Da sie allesamt nicht so mutig waren, wie sie glaubten, waren sie Hals über Kopf geflohen. Glücklicherweise hatten sie dabei die Aufmerksamkeit eines patrouillierenden Polizisten erweckt, der auf ihr stammelnd hervorgestoßenes Geständnis hin in das Haus eilte. Er hatte den unglücklichen Prüfling auf der Kellertreppe liegend gefunden, halb ohnmächtig und mit grausamen Kratzspuren im Gesicht, deren Ursprung ein Rätsel blieb. Als der Bursche wieder zu sich kam,
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