Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
stammte von einer adeligen Witwe, die 1910 mit ihrer ebenfalls verwitweten Schwester und deren gehbehindertem Sohn in die Villa gezogen war, nachdem der letzte Schwertsak in dem Haus gestorben war. Die Witwe, Marie Edle von Schwengen, deren Schwester Sophia Streinsberg und der junge Mann, Jan mit Namen, hatten ein chaotisches Haus vorgefunden, das vor Dreck starrte. Wie die Frau wortreich klagte, hatten ihre drei Bediensteten und sie selber „bald drei Wochen“ zu tun gehabt, um all den Unrat loszuwerden und sich eine menschenwürdige Umgebung zu schaffen.
Danach war das Haus zwar sauber gewesen, aber, wie sie zu ihrem Leidwesen feststellen musste, keineswegs wohnlich. Es hatte nicht lange gedauert, bis die Chronistin beunruhigende Erscheinungen beobachtet hatte. Das Buch – dessen altmodisch gestelzter und betulicher Stil schwer zu lesen war – verzeichnete „grellen Lichtschein, der das Haus gleich einem Blitz erhellte, obgleich kein Wölkchen am Himmel stand, des Weiteren ein Gepolter und Geklopfe des Nachts, ein Rumpeln und Rascheln sowie ein elektrischer Schatten in der Wand ...“ Das zuletzt genannte Phänomen bestand darin, dass mehrere Personen im Haus einen heftigen, wenn auch nicht lebensgefährlichen „elektrischen“ Schlag erhalten hatten, als sie die Wand berührten – und zwar erstaunlicherweise die
holzverkleidete
Wand! Um die gebräuchliche Elektrizität konnte es sich also nicht gehandelt haben. Natürlich fiel mir sofort mein eigenes unangenehmes Erlebnis ein, als ich die Tapete im ersten Stock berührt hatte. Tante Marie hatte ihren Schrecken in einer halb possierlichen, halb beängstigenden Federzeichnung festgehalten, auf der zu sehen war, wie die zickzackenen „Blitzhände“ des Ungeheuers aus der Mauer heraus nach ihrem Opfer griffen.
Unter all den Poltergeist-Aktivitäten hatte es eine gegeben, die besonders skurril war. Was immer im Haus sein Unwesen treiben mochte, es hatte eine besondere Vorliebe für die Ziffer 7 gehabt. Im wieder hatten sich auf den Fluren und in den Zimmer kleine Gegenstände gefunden, die zu einer 7 arrangiert auf dem Boden oder den Betten lagen. Einmal waren es getrocknete Erbsen gewesen, dann wieder Münzen, ein andermal wurde die 7 aus den Schreibfedern des jungen Mannes gebildet oder aus einem Messer, zwei Gabeln und einem Kaffeelöffel. Oft lagen auch sieben einzelne Objekte in einer Reihe oder einem Kreis. Was damit gemeint werden sollte, hatte niemand je herausgefunden.
Dann war da der merkwürdige Umstand, dass Gefäße mit Milch oder Wasser, die über Nacht stehen gelassen wurden, am Morgen oft halb leer getrunken waren. Wein, Kaffee, Tee und Spirituosen blieben unberührt. Das erinnerte mich, die in der Literatur gut beschlagen war, natürlich sehr unbehaglich an Balzacs mörderischen
Horla
, und es gab auch noch weitere Hinweise, dass eine unsichtbare Person für das Absinken des Flüssigkeitspegels verantwortlich war. Einmal hatte ein Dienstmädchen den schlimmsten Schreck seines Lebens ausgestanden: Als es mit einem Eimer voll Wasser vom Hofbrunnen ins Haus zurückkehrte, hatten plötzlich unsichtbare Händchen den Eimer, den die Frau trug, fest gehalten, und irgendetwas hatte laut schlappernd daraus getrunken! Von da an war das Wasserholen Aufgabe des Hausburschen gewesen, aber wie ich Tante Maries Aufzeichnungen entnahm, hatte der seine Pflicht auch nur mit viel Zittern und Zagen getan.
Zu den Phänomenen, die die Witwe erwähnte, gehörten ebenso schemenhafte Erscheinungen, die an Hologramme erinnerten. Sie klagte darüber, dass „Gespenster bei Tag und bei Nacht durchs Haus schwebten, alle so halb durchsichtig, dass man durch sie hindurchgehen konnte, ohne etwas davon zu merken, aber auch solid genug, dass man die Einzelnen unterschied, Männer und Frauen, auch etliche Kinder, darunter ein blässliches, fahlblondes Mägdlein, das keine Kleider trägt ...“
Die Erscheinungen kümmerten sich nicht um das Tun und Treiben der Lebenden, sondern huschten harmlos dahin, sodass sich „zuletzt sogar das Zimmermädchen an sie gewöhnte“. Trotzdem wären die neuen Bewohner des Totenhauses lieber heute als morgen ausgezogen, aber die beiden Frauen lebten von einer kleinen Pension, der verkrüppelte junge Mann verdiente nur mühsam etwas Geld mit Übersetzungen aus dem Französischen, so dass sie froh sein mussten, dass sie das Haus günstig bekommen hatten. Die Bemerkung der Schreiberin dazu lautete: „Da es so billig war, haben wir es dankbar
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