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Das Haus der glücklichen Alten

Das Haus der glücklichen Alten

Titel: Das Haus der glücklichen Alten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valter Hugo Mae
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auch nur einen Luftzug gespürt? Diese Fensterläden gehen nicht auf. Ich antwortete, nein, darum geht es nicht. Worum dann, fragte er. Ach nichts. Es schien mir so, als wären sie nur angelehnt gewesen, die Fensterläden, meine ich. Aber das sei auch egal. Es sei nur so ein Eindruck gewesen. Was eine Lüge war. Eine schreckliche Lüge, um mich noch mehr mit meinen Ängsten und mit den immer schlimmer werdenden Wahnvorstellungen allein zu lassen.
    Es war Mittwoch, und der Postbote kam vorbei und brachte die Briefe, die an die ziemlich ungeduldigen Empfänger verteilt wurden. Das erste Mal, dass ich sah, wie Dona Marta auf einen Brief wartete, der nie kommen würde, war an dem Tag, als ich zu hören glaubte, ich würde aufgerufen. Sie wurden meinetwegen traurig, weil sie meinten, dass ich das Bedürfnis verriet, Neues von meinen Kindern zu erfahren, die mich schließlich nicht mehr besuchen kamen. Es war nicht so. Das war, weil ich meinen Namen gehört und ein paar Schritte nach vorn gemacht hatte. Und erst da begriff ich, dass ich mich geirrt hatte. Dabei bemerkte ich auch den begierigen Gesichtsausdruck Dona Martas. Sie stand vor Américo, als hungerte sie einer Mahlzeit entgegen. Die anderen Alten zogen sich vor ihr zurück, und ein paar schüttelten etwas betrübt den Kopf. Doch niemand sagte noch etwas zu ihr. Sie ließen sie dort stehen, bis der letzte Brief ausgehändigt war und Américo sagte, Dona Marta, ich habe nichts weiter. Wir wollen alle ein bisschen ausruhen, bitte, kommen Sie mit. Sie entzog sich seinem Arm, ohne ein Wort. Sie war nur bekümmert, weil sie seit über zwei Jahren nichts von ihrem Mann gehört hatte. Ich setzte mich zu Senhor Pereira, und er erklärte mir, dass Dona Marta mit einem zwölf Jahre jüngeren Mann verheiratet war und dass ihre Einweisung ins Heim ihm ermöglicht hatte, die Verwaltung ihres Vermögens zu übernehmen und es ausgeben zu können, ohne besorgt sein zu müssen, dass sie zurückkehren könnte. Sie blieb dort vor Américo stehen, als wäre sie noch eine verheiratete Frau. Die den Fehler machte, ihrem Mann immer wieder zu glauben. Denn selbst nach zwei Jahren ohne eine Zeile glaubte sie, er würde mit einer ehrenwerten Entschuldigung zurückkehren und immer noch ihre Zärtlichkeit brauchen und glücklich sein über die Wiederbegegnung. Das ist die Liebe, eine vorübergehende, aber weitverbreitete Dummheit. Sie rührt alle. Senhor Pereira wurde traurig, und ich fühlte mich als Egoist, weil ich mich benahm, als wäre mein eigenes Unglück viel größer. Wir ruhten im Hof aus, und ich schlief ein, zum Ausgleich für die von den Albträumen zerfressenen Nächte.
    Es war drei Uhr früh, und die Geier hatten meinen Körper schon auf ihre brutalen Mägen aufgeteilt. Ich knipste die Lampe an und wischte mir den Schweiß vom Kopf. Ich lief auf den Korridor hinaus. Ich zögerte nicht. In Zimmer sechzehn schlief Dona Marta, die wie immer verletzt und traurig, alt und ein bisschen hysterisch war, um Verlassenheit und Tod zu ertragen. Ich wollte sie nicht erschrecken. Es war drei Uhr nachts. Wichtig ist, das nicht zu vergessen, und ich hatte keinen Körper mehr, weil ihn die Geier aufgefressen hatten. Ich stand im Korridor und wusste genau, welches Zimmer die Frau hatte. Ich machte die Tür auf und setzte mich zu ihr. Nur das von draußen einfallende Nachtlicht ließ mich die Gestalt unter den Decken wahrnehmen, wo Dona Martas schwerer Atem zu vernehmen war. Ich durfte nicht dort sein, so spät und erschreckend grundlos, doch ich meinte, ich wäre weniger als eine Feder, körperlos, mit nichts als einem dringenden Verlangen. Ich fand, für diese Leere des Denkens, diese Illusion würde es schließlich eine Erklärung geben, als gelange die Zeit allein durch sich selbst aus einer Sackgasse heraus. Eine Sackgasse kann nicht das ganze Leben dauern, dachte ich vielleicht. Etwas würde bewirken, meinen Schritt zu erhellen, ihn zu rechtfertigen, ihn normal und annehmbar werden lassen. So kam es, dass sie meine Anwesenheit ahnte. Sie stockte in ihrem unablässigen Schnarchen und starrte mich an. Die erschrockenen Augen glänzten in der Dunkelheit. Sie nahmen deutlich meine Gesichtszüge wahr und erkannten mich. Ich hätte nichts sagen und einfach in mein Zimmer zurückkehren können, ohne überhaupt zu versuchen, mein Benehmen zu erklären, weil ich keinen Körper hatte und es keine Erklärung hierfür gab, doch sie ließ mir keine Zeit und ich konnte ihr nicht von den Geiern erzählen.

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