Das Haus der glücklichen Alten
sein. Ich bin nur verwirrt, dachte ich damals. Es war Verwirrung. Eine Sackgasse. Wie ein Weg, der sich vor dem Ziel gabelte, so dass ich die Möglichkeit hatte, an meiner Absicht festzuhalten. Unerbittlich zu sein. Weiterzumachen.
Am siebten Tag bat mich Doktor Bernardo, zu ihm ins Behandlungszimmer zu kommen. Er fragte mich, wie ich mich fühle. Ich sagte, dass es mir gutgehe, das Haus habe ein bewundernswert hohes Qualitätsniveau, ja, es gehe mir bestens. Er teilte mir mit, dass Elisa, mein Schwiegersohn und meine beiden Enkel mich besuchen kommen wollten, und er fragte mich, ob die Belastung nicht zu groß für mich wäre. Ich fand es merkwürdig, dass er mich das fragte. Eigentlich hätte ich erwartet, dass in der ersten Zeit nach der Einweisung jeder Kontakt mit der Familie als hilfreich angesehen würde. Wie auch immer, ich sah mich nun in der Pflicht, mit Ja oder Nein zu antworten. Ich überlegte lange, wie ich mich von der schlechtesten Seite zeigen könnte. Ja, er habe recht. Es sei für mich noch zu früh, meine Familie zu empfangen, ich würde noch Zeit brauchen, um über den Verlust Lauras und die damit notwendig gewordene Wohnungsauflösung hinwegzukommen. Ich wollte nicht das Gefühl haben, es ginge auch ohne mich alles einfach so weiter. Noch nicht. Doktor Bernardo bemerkte, dass meine Hände zitterten, eine Nervosität, die ich nicht mehr unterdrücken konnte. Er antwortete, natürlich, Senhor Silva, seien Sie unbesorgt. Das ist verständlich. Sie machen sich jetzt von vielem frei und brauchen Zeit, das ist völlig normal. Ich machte mich jetzt von allem frei. Ich hatte zwei Wäschesäcke und eine erbärmliche Heilige Jungfrau von Fátima, und weiter nichts. Ich war, wie offenkundig war, von allem frei.
Elisa und mein Schwiegersohn sollten sich zurückgewiesen fühlen, so wie ich mich fühlte. Wenn eine böse Erinnerung ihr Bild in mir wachrief, so war daran nur der bedauerliche Gedanke schuld, dass sie mit ihrem Geld, mit Bestechungen dafür gesorgt hatten, dass ich zu ihrer Erleichterung aus ihrem Leben verschwunden war und es höchstens noch ein paar oberflächliche, opportunistische Verpflichtungen für sie gab. Ich lief ans Fenster und verbarg mich, so gut ich konnte, hinter den Gardinen, ich wollte sehen, wie sie beim Wagen standen und auf Bescheid warteten, so oder so. Ich sagte zu Doktor Bernardo, dass ich einen tiefen Schock erlitten hätte, und er stimmte mir zu. Sie müssen Ihre Wut abreagieren, Senhor Silva, wir hier sind dazu da, Ihnen zu helfen. Eine Entschuldigung dieser Art bekam Elisa wohl zu hören, in einer etwas schmerzlichen Geste legte sie die Hand an den Mund. Ich sah, wie sie abfuhren. Ich setzte mich auf einen Stuhl und dachte, vielleicht würden sie mich in der nächsten Woche besuchen wollen, dann wären weitere sieben Tage vergangen, vielleicht aber hielt ich keine weiteren sieben Tage durch, ohne sie zu sehen und ohne zu weinen.
Dort eingewiesen zu sein kam mir in der ersten Zeit buchstäblich so vor, als wäre man fest entschlossen gewesen, mich umzubringen, hätte aber nicht den Mut gefunden, sich für eine schnellere Methode zu entscheiden. Eine schnellere Methode, die gewiss ehrlicher gewesen wäre, dachte ich. Sie steckten mich hier rein und ließen es zu, dass ich, außer Sichtweite, Sekunde für Sekunde dahinsiechte. Ich verstand gar nicht, warum das Herz nicht stehenblieb allein durch den Kummer, dass ich an einem willkürlichen Ort lebte, wo es mich danach verlangte, beim geringsten Geräusch in meiner Umgebung zu sterben. Ich halte nichts vom Leben nach dem Tod, und auch die Figur der Heiligen Jungfrau von Fátima konnte mich nicht davon überzeugen, genauso wenig wie davon, dass ich nach meinem Tod Laura wieder in den Armen halten und ewig die Beziehung fortsetzen würde, in der wir achtundvierzig Jahre lang gelebt hatten. Sterben war nur gerecht, damit ich nicht zum blassen Abbild dessen werden würde, was ich mal gewesen bin. Sonst wäre es, wie wenn man sich an das Muster eines Gefühlslebens klammerte, dessen Verlust man als ungerecht empfand.
In dieser ersten Zeit ließ ich mich durch nichts beruhigen. Innerlich blieb ich böse und stieß mich an der Schädelwand. Etwas hinderte mich daran zu reagieren, eine gewisse Erziehung, die Erinnerung an Lauras Eleganz, wie sie sanft mit ihrer Hand über mein Haar strich, als wollte sie mir sagen, António, sei ruhig, es gibt für alles eine Lösung. Aber in meinem Innersten wütete ich erbarmungslos gegen
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