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Das Haus der glücklichen Alten

Das Haus der glücklichen Alten

Titel: Das Haus der glücklichen Alten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valter Hugo Mae
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würde, wenn wir alle die Spur von etwas Gutem hinterließen, so gering sie auch sei. Und Sie, Senhor Silva, fragte mich der europäische Silva, Sie haben uns noch gar nicht erzählt, was Sie aus Ihrem Leben letzten Endes gemacht haben. Ich zögerte, ich wollte nicht noch einmal von mir sprechen. Dieses Gerede endete immer damit, dass man mir moralische Ratschläge für mein Leben erteilte, und ich hatte die Nase voll von den Pfaffen, die einem bei Sachen reinredeten, die nur einen selbst etwas angingen. Ich hatte genug von Analysen und Schlussfolgerungen, so oder so entschied das Schicksal. Weil es vor allem der Instinkt war, der mir die nötige Klugheit gegeben hatte, damit ich überleben konnte, oder auch nicht. Dann aber antwortete ich, ich war Frisör. Als ich heiratete, war ich Frisörgehilfe. Und dreiundsechzig, nach der Geburt meiner Tochter, sagte mir mein Chef, ich soll meinen Meister machen. Damit ich meinen eigenen Laden aufmachen kann. Und, haben Sie?, fragte Senhor Pereira. Ja, habe ich, und zwar mit dem Geld, das er mir geliehen hat und das ich in den Jahren darauf dann abgestottert habe. Solche Menschen gibt es nicht mehr, sagte der Europäer, solche, die unser Leben im Auge behalten und sich um uns sorgen, wie wenn sie die Verantwortung für uns tragen. Das ist eine gesellschaftliche Verantwortung, verstehen Sie. Früher gab es das, wir haben alle aufeinander aufgepasst. Erzählen Sie doch keinen Quatsch, sagte Anísio, es war noch nie anders als heute, den Neid haben wir schon von den alten Lusiaden geerbt, und was einem Volk im Blut steckt, das ändert sich nicht. Aber Camões musste nicht Bandarra sein, er brauchte keine Prophezeiung und wollte auch kein Visionär sein. Und unser Prophet Bandarra hat meistens auch nur im Nebel gestochert. Vergessen Sie nicht, es war der Nebel, der ihn am Weissagen hinderte. Nichts hat er vorhergesagt, so ist es. Einen Scheißdreck hat er vorausgesagt. Er war eher ein Dichter. Anísio lachte und sagte, Sie haben recht, da schreibt einer irgendwelche Spinnereien, und die Leute brauchen Jahrhunderte, um daraus Prophezeiungen herauszulesen. Mir brauchen Sie auch nichts von Prophezeiungen zu erzählen, sagte ich, ich will von Hypothesen und experimentellen Fortschritten nichts mehr hören. Hätte ich studieren können, dann wäre ich, so sehr ich auch die Literatur liebte, Wissenschaftler geworden. Da steht alles weiß auf schwarz oder schwarz auf weiß, entweder es ist oder es ist nicht. Da schaltete sich der Silva-Schafskopf wieder ins Gespräch ein und phantasierte, wir würden alle Wissenschaftler werden, der Menschheit nützen und dem Fortschritt dienen. Wir würden alle dem Fortschritt dienen. So ein Scheißwort, Fortschritt. Und der Erfolg und alles, womit der Kapitalismus den Konkurrenzkampf zwischen uns anfacht? Da meldete sich Senhor Pereira wieder, Senhor Silva, Sie haben nicht zu Ende erzählt. Sie wurden also Unternehmer, oder was? Ja, ich wurde Kleinstunternehmer. Ein gutgeführter Frisörladen wirft genug Geld ab, damit man sein bescheidenes Auskommen hat. Ich habe eine Tochter, die Geographielehrerin geworden ist, und einen Sohn, der Finanzökonomie unterrichtet, er hat sogar einen Job in Griechenland gefunden, gar nicht schlecht für ein Arbeitsleben als Frisör, bei dem auch ein paar armselige Ersparnisse zusammengekommen sind. Ich bin für meine Anstrengungen belohnt worden, ich habe genug gearbeitet, um im Alter selbständig und ohne finanzielle Unterstützung von außen leben zu können. Der europäische Silva legte noch drauf, und als Dichter, geben Sie zu, Sie haben eine Dichterseele, Sie haben bestimmt Gedichte geschrieben und sie Eugénio de Andrade gezeigt, der die Herzen der Portugiesen zum Schmelzen gebracht hat. Der Gedanke daran war mir peinlich. Meine Gedichte waren auf Zetteln verlorengegangen, die die Zeit recycelt hatte, es hatte ihnen an Qualität gefehlt, sie waren nur Ausdruck des starken, trügerischen Wunsches gewesen, etwas zu sein, was sie nicht waren. Nichts zu machen, ich wurde in das Schubfach Möchtegerndichter gesteckt, und das ärgerte mich. Ich wurde zimperlicher und schwächer dargestellt, als ich war. Die Herzen der Portugiesen zum Schmelzen bringen, was für ein blödsinniges Bild. Verdammt, ich habe lediglich große Achtung vor der Dichtung, protestierte ich, das heißt noch lange nicht, dass ich Dichter wäre oder es werden wollte. Ich war Frisör, und ich habe Bücher gelesen, wie es alle tun sollten, um über den

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