Das Haus der glücklichen Alten
und sie war bewusstlos, bewusstlos geworden vom Schmerz, offenen Auges den Säugling sehen zu müssen, der keinen Lebensschrei von sich gab.
Es war nicht die Schuld des Paters, auch nicht die der Kirche oder Gottes. Es ging nur um den traurigen Zufall, dass wir elend in einem Land des Elends lebten, das von uns nichts als Ehrgefühl und stumme Opfer erwartete. Wir hatten unser erstes Kind geopfert und hatten zwei Münzen in der Tasche übrig behalten, die für vier oder fünf Suppen reichten, den Rest des Monats waren wir unserem Schicksal überlassen. Die anderen bekreuzigten sich, beteten und brachten mich zu einem Stuhl, wo sie mir das Kruzifix hinhielten, das wir auf der Kommode hatten. Sie erwarteten, dass Gott oder Peter Pan in mein Leben treten und einwandfreie Erklärungen für das Geschehen liefern würde. Sie erwarteten, dass man immer noch das Leben liebte, das aus Schmerz und Lernen bestand, aus Schmerz und Hoffnung, aus Schmerz und Mut, aus Schmerz und Bürgerrecht, aus Schmerz und Zukunft, aus Schmerz und Gott und Salazar.
An diesem Tag war das Allerwichtigste, Laura zu retten. Egal, was die katholische Kirche sagte, ich verzichtete lieber auf ein Kind, das ich nicht kennengelernt hatte, und führte weiter ein Leben zu zweit, an der Seite der Frau, die immer eine Erklärung hatte für alle Unvollkommenheiten meines Wesens und ihnen beizukommen wusste. Tatsächlich liebte ich Laura weit mehr als dieses Kind, das für immer verloren war. Dabei hatte ich Glück. Erschrocken stellte ich das Kruzifix wieder auf die Kommode und ging auf die Weiberschar zu, die um meine Frau herumwuselte. Ich wollte wissen, ob sie am Leben blieb und ob sie schon die Nabelschnur durchschnitten hatten, damit sie sich vom Tod befreite und ganz auf der unerschöpflichen Seite des Lebens blieb. Und so war es. Laura brauchte ein paar Stunden, bis sie wieder zu Bewusstsein kam und mein trauriges, aber unmissverständliches Lächeln wahrnahm. Wir hatten obsiegt. Wir zwei. Der schon gereifte Ort der Liebe. Der tätige Ort. Sie weinte und akzeptierte wie ich, dass wir mit schärferen Krallen uns stärken und den Weg künftig abkürzen würden. Dass nichts von dem, was man uns gesagt hatte, uns auf diese Tragödie vorbereitet hatte. Und nichts von dem, was man uns sagen würde, sollte uns noch einmal täuschen in unseren Absichten und unserem Tun.
Portugal war lange ein Land, dessen Kinder in Frankreich geboren wurden. So gottverdammt viele von ihnen. Ich dachte, inzwischen war es so um neunzehnhundertzweiundsechzig, dass wir in Frankreich gerettet wären, dass wir so dem Hunger und dem Joch einer Arbeit entgehen würden, deren Lohn nicht ausreichte, um jeden Tag einen Strahl Sonne zu erhaschen. Aber unsere Frankreichträume würden nie zu etwas führen. Wir wussten nicht, wer uns sicher hinbringen könnte, ehrlich gesagt hatten wir einfach nicht das nötige Kleingeld dazu, ja schlimmer noch, uns fehlte der Mut, über die grüne Grenze zu gehen, Laura war gerade wieder schwanger geworden. Wir konnten nicht ohne Papiere nach Frankreich, und ebenso wenig durften wir ein Risiko eingehen, dieses Kind sollte nicht auch Opfer werden. Als Laura entband, von schlimmen Ängsten gepeinigt, kam unsere Elisa inmitten von Glück und Enttäuschung zur Welt. Du hättest eine Französin werden können, Elisa, eine Französin, obwohl uns die Widernisse sehr stolz machten, sie erlaubten es dir, Portugiesin zu werden und damit Portugal zu erben. Portugal gehört dir, meine Tochter, es gehört dir, auch wenn es schwer ist zu verstehen.
Zum Benfica-Kader gehörten Eusébio und Yaúca, Costa Pereira und José Águas, Santana und der großartige Coluna. Und sie haben Real Madrid abgebürstet, für uns den Europapokal der Landesmeister gewonnen und verkündeten überall, wer nicht für Benfica sei, wäre kein guter Familienvater. Wir wollten keine Franzosen sein, wir wollten, dass die Portugiesen glücklicher werden, denn darum ging es, dass die Spanier und General Franco eins auf die Schnauze bekamen, denn der war ein Dreckskerl. Wie der, den wir am Hals hatten.
Laura sagte immer, sie würde auch ein zweites Mal in der Kirche heiraten, nur damit sie das Recht hätte, sich als glücklicher Pfannkuchen zu kleiden, und damit sie den Chorgesang hören könnte, der im unglaublichen Widerhall des Raums wie ein Vogelschwarm klang. Wie schön das war, so schön, dass Menschen niederknieten, um sich das Jawort zu geben. Das war, als würde man verstehen, dass
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