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Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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begreifen.«
    Er stand auf, trat zum Kamin und starrte in sein kaltes, schwarzes Inneres. Dann drehte er sich wieder zu ihr um. »Was meinst du?«
    Ihre grünen Augen waren voller Staunen und Verwirrung. »Damals im Sommer, als ich fünfzehn war …«
    Es war ein heißer Julisonntag gewesen. Ihre Großmutter veranstaltete ein Grillfest auf der Terrasse. Natürlich waren die Barclays da. Der dünne Desmond planschte stolz im Pool herum, während seine Mutter in einem gewagten Badeanzug aus schwarzem Stoff mit Netzeinsätzen und hohem Hüftschnitt laut verkündete, einer der Lehrer ihres Sohnes habe erklärt, Desmond sei der intelligenteste Vierzehnjährige, der ihm je begegnet sei. Onkel Adrian war schon wieder im Haus, wie gewöhnlich am Telefon, und Tante Olivia, die einen hawaiischen Sarong trug, half Charlottes Großmutter mit den Platten, auf denen die in Sojasoße und Ingwer eingelegten Rippchen, Schweinelenden und Hühnerbeine angerichtet waren.
    Es waren über fünfzig Gäste anwesend, die lachten, tranken und sich über Vietnam und Watergate unterhielten, aber für Charlotte war es der einsamste Ort der Welt. Weil Johnny nicht da war.
    Onkel Gideon hatte sie in der Laube auf dem Dach gefunden, wo sie sich die Augen ausweinte. »Warum geht Johnny immer weg?« hatte sie geschluchzt, als er sie nach dem Grund fragte. »Er braucht doch nicht jedes Jahr nach Schottland zu fahren. Er ist Amerikaner. Er soll hierbleiben.«
    »Hat er dir nicht gesagt, warum er das tut?«
    Charlotte hatte sich mit dem Tuch, das er ihr gegeben hatte, die Nase geputzt. »Johnny spricht nicht gerne über seine Gefühle.«
    »Hast du ihn gefragt?«
    Sie schüttelte stumm den Kopf. Der September war unendlich weit weg, und sie würde aus Einsamkeit sterben, bevor er zurückkam.
    »Und was sagt deine Großmutter dazu?« hatte Onkel Gideon gefragt.
    »Ach, über so etwas kann ich doch nicht mit Großmutter reden! Sie würde mich gar nicht verstehen.«
    »Glaubst du?« hatte er mit nachsichtigem Lächeln geantwortet. »Ich halte sie für eine sehr kluge Frau.«
    Charlotte starrte düster auf die Hände in ihrem Schoß. »Es hat keinen Sinn. Sie würde es nicht begreifen.«
    »Hm. Sollte es sich dabei um eine Herzensangelegenheit handeln?«
    »Wenn sie es wüßte, würde sie mich umbringen.«
    »Soviel ich weiß, hat sie noch keinen Menschen umgebracht, und schon gar nicht, weil er jemanden liebt.«
    Charlotte mußte wider Willen lächeln. Seit sie sich überhaupt an ihn erinnern konnte, schaffte es Onkel Gideon immer, sie aufzuheitern. Darum vergötterte sie ihn auch so. Natürlich trug die Tatsache dazu bei, daß er so ungeheuer gut aussah, braungebrannt und breitschultrig und mit silbergrauen Augen, die zum silbergrauen Haar paßten. Obwohl Charlotte wußte, daß er uralt war – weit über Sechzig –, fand sie Onkel Gideon ausgesprochen sexy.
    »Großmutter ist immer so streng«, seufzte sie. »Wenn sie wüßte, daß ich für Johnny schwärme, dürfte ich ihn nicht mehr zu Hause besuchen.«
    »Und Johnny … was empfindet er für dich?«
    Sie zuckte die Achseln. »Er denkt, wir wären bloß Freunde.«
    »Du hast ihm also deine Gefühle noch nicht gestanden?«
    »O nein. Das würde ich nie tun. Jedenfalls nicht als erste.«
    »Manchmal ist das nicht der beste Weg, Charlotte. Manchmal wartet man so lange auf den anderen, daß die Zeit zu lang ist und man alles verliert.«
    »Sollte ich es ihm denn sagen? Johnny sagen, daß ich ihn liebe?«
    »Nein, ganz so meine ich es nicht. Du mußt es ihm ganz vorsichtig beibringen.«
    »Es macht mich ganz verwirrt. Ich habe solche Gefühle … wenn ich mit ihm zusammen bin …«
    »Charlotte«, sagte Gideon sanft, »gibt es etwas, das du mir erzählen möchtest? Habt ihr … ich meine, du und Johnny …«
    Sie brauchte einen Moment, bis sie ihn verstand. »O nein, Onkel Gideon! Nichts dergleichen!« Und dann hatte sie ihn aus Augen voller Unschuld angesehen und gefragt: »Würde er dann bleiben? Wenn ich mich von ihm küssen ließe?«
    Gideon hatte sich das Kinn und dann den Nacken gerieben. »Ich glaube nicht, daß das die Antwort ist. Du brauchst nichts zu übereilen, Charlotte.«
    »Meine Freundin Melanie hat einen Freund, und sie küssen sich andauernd.«
    »Charlotte«, hatte er langsam gesagt, als wähle er die Worte mit Sorgfalt, »hat deine Großmutter schon einmal mit dir über … gewisse Dinge gesprochen?«
    »Dinge?«
    »Ich meine, über das Leben. Die Liebe.« Er breitete die Arme

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