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Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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zu machen. »Frauenbefreiung und Woodstock«, meinte er kopfschüttelnd. »Ein neues Zeitalter. Aber manche Dinge bleiben zeitlos gültig, ganz gleich, wie alt sie sind. Und dazu gehört, daß ein Junge, der dich liebt, dich wirklich liebt, dich nie zwingen wird, etwas zu tun, was du nicht willst, und nie versuchen wird, dich zu überreden, ihm deine Liebe mit deinem Körper zu ›beweisen‹. Manchmal wird dir ein Junge vorspiegeln, er liebe dich, damit er seinen Willen bekommt, aber dann ist er nicht ehrlich zu dir. Andererseits gibt es vielleicht einen, der dich liebt und es nur nicht sagen kann.«
    »Und woran erkennt man den Unterschied?«
    Er lachte. »Ich fürchte, das hat noch keiner herausgefunden.« Und dann, ernsthafter: »Versprich mir eines, Charlotte. Wenn es einmal soweit ist, daß du mit einem Jungen zusammensein möchtest, dann versprich mir, daß du vorher ganz genau überlegen wirst, ob du es wirklich willst und ob du es mit ihm willst.«
    Sie hätte ihm das Versprechen gleich jetzt und hier geben können, denn sie wußte damals schon genau, daß sie es wollte, und daß es Johnny war, der als einziger dafür in Frage kam.
    Als nächstes fuhr er mit ihr in einen kunstvoll angelegten botanischen Garten in der Pfauengasse, wo Tausende verschiedener Blumen zu sehen waren. Hand in Hand streiften sie hindurch, und Charlotte staunte über die wundervollen Höfe, die Mondtore, die Pagoden mit den geschweiften Dachbalken, die Holzbrücken und die stillen Teiche, bis er ihr sagte: »Dies war einmal eine private Villa, und hier ist deine Urgroßmutter Mei-ling geboren.«
    Mehr sagte er nicht. Er schmückte nichts aus, hielt ihr keine Vorträge und betonte auch nicht, daß hier die Heimat ihrer Ahnen wäre, der Ort, an dem ihre Wurzeln lägen. Er sagte nicht: » Darum fährt Johnny jedes Jahr nach Schottland.« Aber Charlotte war auf den schmalen Wegen gewandert, durch die anmutigen Torbögen und durch prachtvolle Zimmer voller gemalter Obstgärten, Lilien und Paradiesvögel, und hatte gedacht: »Auf diesen Wegen ist meine Großmutter gelaufen, aus diesen Fenstern hat sie geschaut. Hier hat sie geschlafen und gegessen, war traurig und glücklich.«
    Und sie hatte etwas noch nie Empfundenes gespürt, eine plötzliche Nähe, ein Gefühl der Zugehörigkeit. Sie dachte an das Zimmer über Seiden-Wah, in dem ihre Großmutter geboren worden war, und an die vielen Gesichter, die ihrem eigenen ähnelten, mit hohen Wangenknochen und Mandelaugen, an die Dialekte, die sie gehört – Kanton, Mandarin, Schanghai –, und die vielen KwanYin-Figuren, die sie gesehen hatte, und ganz erstaunt begriff sie: Hier ist mein Ursprung.
    Zuletzt hatte Onkel Gideon sie in einen kleinen Laden auf der Orchard Road geführt und ihr eine Halskette mit einem Anhänger gekauft. Der Anhänger war aus Silber und Bernstein, die Kette aus Silber und Amethysten. Gideon hatte ihr gezeigt, wie man das Medaillon öffnete. »Siehst du? Man kann etwas hineinlegen, ein Andenken.«
    Sie wußte schon, was sie hineintun würde. Sich und Johnny, für immer.

    Johnathan hatte inzwischen das Feuer in Gang gebracht. Es brannte hell und heiß, warf goldene Spiegelbilder in den Raum und erfüllte die Luft mit freundlichem Prasseln und Knistern. Als er sich zu Charlotte auf das Sofa setzte und in den alten Polstern mit den herausstehenden Sprungfedern versank, sah er im Feuerschein etwas auf ihrer Brust glänzen, gleich unter dem Schlüsselbein: die Shang-Kette. Er mußte daran denken, wie er das Schmuckstück zum ersten Mal gesehen hatte. Es war an dem Tag gewesen, als er aus den Sommerferien zurückgekommen war, damals mit fünfzehn. Im Juni hatte er eine mürrische und verdrießliche Charlotte zurückgelassen. Das Mädchen, das ihn jetzt im September begrüßte, war auf wundersame Weise verwandelt. »O Johnny, du bist wieder da!« hatte sie gerufen und ihn umarmt. Und bevor er noch etwas antworten konnte, hatte sie ihn mit dem atemlosen Bericht über eine Reise mit ihrem Onkel überfallen – »stell dir vor, nach Singapur!« – und zu seiner Verblüffung damit geendet, daß sie jetzt verstünde, warum er jeden Sommer nach Schottland fahre.
    Es hatte ihn verwirrt, weil er den Grund dafür selbst nicht kannte – er wußte nur, weshalb er zurückkam.
    »Es tut mir wirklich leid, daß ich dir nichts von Naomi erzählt habe«, begann er jetzt. »Ich weiß, wie es ausgesehen haben muß, als du ihre Nachricht in meiner Brieftasche gefunden hast.«
    »Schon

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