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Das Haus der kalten Herzen

Das Haus der kalten Herzen

Titel: Das Haus der kalten Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Singleton
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tun sollte. Die Probleme, vor denen sie stand, schienen so vielschichtig und so unüberwindbar zu sein. Ein Teil von ihr wollte sich immer noch zusammenrollen und schlafen, zu den unendlichen Wiederholungen des Traumes zurückkehren, den sie verloren hatte – zu dem Tag, der nie endete. Aber dazu war es nun zu spät, sie hatte den Traum bereits in Stücke geschlagen. Wie die Prinzessin in Dornröschen war sie schließlich aufgewacht. Claudius hatte die Dornenhecke bezwungen und sie im Turm gefunden.
    Sie drückte ihr Gesicht an das kalte Glas. Sie hatte keine Wahl. Sie musste weitermachen. Sie musste noch mehr schreiben, und Charity, die besser zeichnen konnte als sie, sollte die Bilder malen. Wie Charity wohl Claudius zeichnen würde? Als Kind musste sie ihm begegnet sein. Ob sie sich jetzt noch an ihn erinnern konnte?
    Mercy schob einen Läufer vor ihre Tür, um neugierigen Besuchern den Zutritt zu erschweren. Sie holte das rote Buch aus dem Versteck und blätterte zu den letzten Worten, die sie geschrieben hatte. Schreiben war schwer. Sie kaute an der Feder und dachte daran, wie viel mehr sie noch herauszufinden hatte, um das Buch zu vollenden. Wenn sie die ganze Geschichte erzählen wollte, war eine längere Reise in die Vergangenheit erforderlich. Sie tunkte die Feder in die Tinte und begann, über die sommerliche Geburtstagsfeier zu schreiben und die Begegnung mit Claudius und Marietta auf der Insel. Das Schreiben nahm ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch, es saugte sie förmlich auf.
    Plötzlich krachte die Tür auf, der Läufer flog in hohem Bogen davon. Ehe Mercy verstecken konnte, womit sie sich beschäftigte, hatten Klauen schon ihr Genick gepackt. Ein schmerzhafter, eiserner Griff – einer Schraubzwinge gleich. Mercy versuchte, sich zu befreien.
    »Was machst du da?«, zischte Galatea an ihrer Wange. Mercy konnte den Atem der Gouvernante riechen, eine seltsame Mischung aus altem Staub und Pfefferminz.
    »Hat dein Vater es dir denn nicht erklärt, du törichtes, ungehorsames kleines Mädchen? Was braucht es denn noch, damit du lernst und verstehst? Bist du fest entschlossen, uns alle zu vernichten?«
    Galatea war weiß vor Wut, ihre Gesichtszüge waren völlig verzerrt und schienen sich zu einem Knoten mitten im Gesicht zusammengezogen zu haben. Sie fletschte die Zähne. Dann zerrte sie Mercy vom Stuhl und schleppte sie aus dem Zimmer und den Korridor entlang. Mercy schrie auf, trat um sich und kreischte. Sie ließ die Füße schleifen.
    »Charity, hilf mir! Charity! Lass mich los!«
    Sie kämpfte wie ein Dämon und trat Staubwolken los. Nun hielten Galateas harte Finger ihre Handgelenke umschlossen, die Gouvernante war nicht zu bezwingen, obwohl sie so zierlich war.
    »Charity!«, rief Mercy. »Vater! Lass das! Lass mich los!«
    Mercy glaubte zu hören, wie sich hinter ihr eine Tür öffnete, während sie heulte. Sie versuchte, sich umzudrehen. Niemand kam zu ihrer Rettung herbei und Galatea war immun gegen ihr Flehen. Sie schleppte sie eine weitere Treppe empor, durch eine Tür in einer vertäfelten Wand hindurch, dann einen engen Treppenaufgang hinauf in die oberste Etage. Dort schubste sie Mercy in ein kleines, dunkles Zimmer und knallte die Tür hinter ihr zu. Mercy hörte, wie der Schlüssel sich im Schloss drehte. Ein Riegel oben an der Tür und einer unten wurden vorgeschoben. Draußen stieß Galatea einen tiefen Seufzer aus. Das Geräusch von Schritten verhallte, als sie langsam die schmale Treppe hinunterstieg.
    Ein paar Minuten lang blieb Mercy auf den nackten Dielenbrettern sitzen, um wieder zu Atem zu kommen. Mit dem Ärmel wischte sie sich die Tränen aus den Augen. Sie war entsetzt. Wie hatte ihr Leben diese Wendung nehmen können? Sie war eine Gefangene! Die Tränen liefen immer noch, sie rang die Hände. Was würde nun passieren? Die Minuten vergingen. Sie wartete und rechnete jede Minute mit Galateas Rückkehr oder mit ihrem Vater. Sie konnte nicht glauben, dass sie lange eingesperrt bleiben würde, obwohl ihr Vater es angedroht hatte und obwohl sie ihm nicht gehorcht hatte. Aber die Minuten wurden länger und niemand kam. Mercy behielt die Tür im Blick und wartete auf Befreiung. Fünf Minuten, zehn.
    »Kommt schon«, murmelte sie. »Lasst mich raus. Lasst mich raus.« Dann sprang sie auf und hämmerte mit den Fäusten gegen die Tür.
    »Hilfe!«, brüllte sie. »Lasst mich raus! Lasst mich raus!«
    Der Lärm hallte durchs Haus und trotzdem kam niemand. Rasend vor Wut zerrte sie am

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