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Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alon Hilu
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dein Fleisch blutig und in Fetzen und du wünschst zu sterben», und ich sagte:«Du bist ein lächerlicher Mann, unendlich lächerlich, denn ohne Gnade und ohne Zaudern willst du an einem Kind dich vergehen, einer Waise, nachdem du in ehebrecherischer Weise seine verwirrte Mutter hast beschlafen», und er sagte: «Nicht einhundert, sondern zweihundert Hiebe, denn ich habe mir geschworen, dir heute Nacht den Hintern zu versohlen, bis die Bewohner dieses Friedhofes es mit der Angst bekommen und ihre klapprigen Knochen aufraffen, dich vor meinem Zorn zu erretten», und ich antwortete ihm nicht, sondern nahm einen Stein von dem Haufen, den zuvor ich aufgelesen, und warf im Schutze der Dunkelheit diesen nach seinem Gesicht und hernach noch einen und noch einen, bis der Verderben bringende Engel außer sich vor Wut geriet und rief: «Komm her, Salach, du verrückter Hund, ich schwöre, ich verprügle dich, bis dir die Seele aus dem Leib fährt», und seine Schreie, die durch die Luft fuchtelnden Arme und der gespitzte Knüppel verliehen ihm die Gestalt eines zürnenden Riesen, doch ich kletterte auf einen getreuen Baum, und die Dschinne, die dort wohnten, eilten mir zur Hilfe, lenkten gemeinsam den Flug jedes Steines in das Gesicht des Riesen, auf seine Stirn und seine Augen, ihn in diesem Krieg zu blenden, im heldenhaften Kampf ihn zu töten und vor allem ihn zu der Falle zu locken, die ich ihm gestellt, dort, wo die tiefen Gräber ausgehoben lagen, die ich den ganzen Tag über mit Blättern und trockenen Ästen abgedeckt, ihm eine Todesfalle zu sein, und tatsächlich ließ der tobende Riese sich von meiner List verführen, denn er hielt Ausschau nach meinem Versteck in den Bäumen, um meine kleinen Beine zu fassen zu bekommen und sie mir aus dem Leib zu reißen, und so zeigte ich ihm den Saum meines Gewandes, der in der Finsternis des Friedhofs funkelte, und der Riese ging ihm nach, bis seine Augen aus ihren Höhlen zu treten drohten, als mit einem Mal er ausglitt und auf die Falle fiel, dasGestrüpp aus Blättern und Zweigen durchbrach und lebend in die Totengrube stürzte, und ob des Ächzens und Stöhnens, das aus der Tiefe erklang, wusste ich bereits, dass sein Bein gebrochen und verrenkt, sodass er über keine Macht mehr verfügte und ganz und gar meiner Gnade ausgeliefert war.
    Ich stieg herab vom Wohnsitz des Baumdämonen und näherte mich mit dem Dolch in der Hand dem Engel und sagte: «Ich hoffe, deine Erdklumpen behagen dir, Monsieur Luminsky, Herr des Gutes», und er änderte auf der Stelle sein Gebaren und seine Sprache und sagte mit leiser Stimme: «Willst du mich töten?» Und ich erwiderte: «Ja, denn Heil, Erlösung und Rettung werden der ganzen Welt daraus erwachsen», und er sagte: «Doch nicht mit dem Dolch und nicht mit dem Schwert, sondern mit deinen Fingern, Salach, diesen langen, fragilen, zarten Fingern, die Tage um Tage Verse und Geschichten geschrieben, die den Pinsel geführt und die Schönheiten dieses Landes gezeichnet, werfe weg den Dolch und drücke meine Kehle zu, die süße Berührung deiner Finger wird mich zu den Höllenqualen tragen», und gebannt durch Zauberstricke sah ich ihn an und wusste, dass seine Worte wahr waren, und ich warf den Dolch zu Boden und näherte mich ihm, worauf er seinen Hals mir entgegenstreckte, den kräftigen Hals eines Mannes, sonnengebräunt und gerötet und nach Salbei duftend, um den meine Hände ich nun legte, allen Atem ihm zu nehmen.

(Fortsetzung)
    Ich gewährte eine kurze Pause mir, einen kleinen Schluck von dem jemenitischen Wein zu nehmen. Nuriel starrte mit seinenbrauen, weit aufgerissenen Augen mich an, und Speichel troff auf seinen Bart und seine Haut, die so schwarz wie die der Afrikaner.
    «Was geschah danach?», fragte er mich.
    «Was denkst du, ist geschehen?», erwiderte ich.
    «Das ist klar und ersichtlich», sagte er. «Wenn du getan, wie ich dir geheißen, dann hast den kleinen Araber du am Arm gepackt und ihm eine doppelte Ration Prügel auf sein Hinterteil gegeben.»
    Ich sagte: «Nämliches habe ich nicht getan.»
    «Dumm wie Bohnenstroh bist du», sagte er. «Ihr Aschkenasen seid unverbesserlich. Einhundert Jahre werden vergehen, ja zweihundert, bis euer Verstand sich angepasst an diesen Ort, an dem wir leben. Also, was tatest du?»
    «Als der Junge noch mit seinem Dolch fuchtelt, hockte auf den Boden ich mich, nach Art der Muselmanen beim Gebete, streifte ab mein Hemd, bot meine bloße Brust dem gezückten Dolch des Knaben dar und

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