Das Haus der Rajanis
löste die Stricke, mit denen wir ihren Körper gebunden hatten, sodass ich, aufgeschreckt aus dem Schlaf, zu ihrem Zimmer hastete, und da war Mutter, tanzte nackt auf ihrem Bett, und gemeinsam mit Amina, die aus ihrem Kämmerchen herbeigeeilt, versuchte vergeblich ich, ihr etwas anzuziehen, denn selbst das Riechsalz und das Haschischpfeifchen taten keine Wirkung mehr, und als sie endlich, nach einer Ewigkeit, sich beruhigte und einwilligte, sich auf das Bett zu setzen und etwas Wasser zu trinken, verlöschte mit einem Mal die Kerze in der Laterne, und ein sonderbarer Wind hob an und blähte die Vorhänge und tiefe Pfeiflaute raunten unter den Fußbodenfliesen, und Amina schrie auf und rief: «Ein Geist! Ein Geist geht im Zimmer um!» Sie flüsterte alle möglichen Zaubersprüche, die bestimmt, böse Geister zu vertreiben, doch die Dämonen verspotteten sie nur mit einem eigenartigen Knarren des Bettes und dem plötzlichen Klingeln eines Windspiels, als just in jenem Moment Mutters Hände nach mir fassten, ihre kalten, leblosen Finger, und ihr Gesicht sich safrangelb verfärbte und einen Ausdruck annahm, den ich noch nie an ihr gesehen, Barthaare auf ihrem Kinn sprossen,ihre Kieferknochen sich kanteten und ihr Haar dicht und struppig wurde, ehe sie den Mund aufsperrte wie ein prophezeiendes Maultier und ihre Stimme die eines Mannes war, ja nach Vaters Stimme klang, donnernd und jähzornig wie zu Lebzeiten ich sie gekannt, ihre Augenbrauen sich sträubten und ihr Blick zürnend und gehetzt wurde, da meinen Körper sie heftig schüttelte und mit seiner Stimme rief: «Salach, Salach, mein verfluchter Sohn, bis wann zum Teufel willst untätig du bleiben? Warum hast den Kampf du nicht zu ebendieser Stunde gesucht?» Und ich sagte, an meinem Speichel schluckend: «Vater, mein geliebter Vater, bitte gedulde dich noch einen Tag, einen einzigen Tag noch, und das Ende dieses Schuftes wird kommen, denn morgen, zur Stunde des Abendgebetes, werden wir zum Kampf uns gegenüberstehen», und Mutter schüttelte mich mit ihren Armen, die stark und kräftig waren wie die eines Mannes, und abermals brach sich Vaters Stimme aus ihrer Kehle: «Salach, jeder Moment, den du zauderst, ist wie tausend Jahre Qual für mich, meine Kraft schwindet, Salach, auf ewig werde zwischen den Toten und den Lebenden ich hin und her wandern, ohne dass meine Seele Ruhe findet, weil mein Sohn, die Frucht meiner Lenden, mir ungehorsam gewesen und meinen Tod nicht gerächt», und bei diesen Worten legten Mutters Finger sich um meinen Hals und schlossen zu einem würgenden Ring sich, und Amina schrie und rief: «Im Namen Allahs, lass den Jungen los», und ich schrie unserer Dienerin zu: «Lauf und zünde die Laterne an, um die Geister zu vertreiben, und streue Salz in die Augen der Dämonen, denn dies ist nicht Vaters Geist, sondern ein böser Dschinn, der in den Ästen des Johannisbrotbaumes wohnt, einer der Gesandten des wurmgleichen Engels, der gekommen ist, uns vor dem Duell zu verderben», und Amina hastete in die Küche und tat, wie ich ihr befohlen, streute Salz aus und zündete so viele Laternen an wiemöglich, sprach in allen vier Ecken des Raumes flüsternd Verse, die geschaffen Geister zu vertreiben: «Allah ist der Eine, es gibt keinen Gott außer ihm. Er ist der aus sich selbst Lebendige, der Ewige. Ihn ergreift nicht Schlaf, noch Schlummer. Über den Himmeln und der Erde steht sein Thron. Er ist der Erhabene und Mächtige», bis Mutters Griff sich lockerte und Vaters Stimme aus ihrer Kehle sich verflüchtigte», und ich zu ihm sagte, ehe er verschwunden war: «Wenn du wahrhaftig mein Vater bist, dann schwöre ich hiermit dir abermals, dass morgen zur Stunde des Abendgebetes ich ihn töten, seine Erinnerung vom Antlitz der Erde auslöschen werde», doch der Geist war bereits entschwunden, als die ersten Strahlen der Morgenröte sich am nachtschwarzen Himmel zeigten und ich Amina umarmte, die letzte Gefährtin, die mir noch geblieben auf dieser sonderbaren und schmutzigen Welt, durch deren Tore ich wünschte, niemals eingetreten zu sein.
11. März 1896, auf dem Gute der Rajanis
Heute machte ich mich auf zu Nuriel, ging in die Dünen am Rande von Neve Shalom, unweit des muselmanischen Viertels Manshiyeh, und fand an seinem Kiosk ihn, wo den Leuten er jemenitischen Likör aus seinen Beständen ausschenkte. Da er meiner ansichtig wurde, leuchteten seine Augen, rief enthusiastisch meinen Namen er. Die Jemeniten, wie unsere anderen jüdischen Brüder
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