Das Haus der Rajanis
sagte: ‹Töte mich.›»
Da diese Worte ich auf die Seiten meines Tagebuches schreibe, rinnen Tränen über meine Wangen und mischen mit einem Lachen der Erleichterung sich, denn ich bin des Lebens auf dieser Welt überdrüssig, vom Tage meiner Geburt habe ich in ihr nichts als Hässlichkeit und Bosheit gefunden, und wie schwer ward mir die Last des Lebens, langmütig und ergeben die Spottpfeile der Kinder zu ertragen, die Dummheit der Schufte, die Verachtung von Prahlern, die Armut und Zotigkeit des Pöbels und der Armen, welchen Zweck hat all dies, wenn kein Trost ihm zur Seite gestellt, nicht erwächst aus den Küssen einer treulosen Mutter, aus der Zuneigung eines niederträchtigen Freundes und auchnicht aus der Liebe eines stets abwesenden Vaters, was also sollte ein Junge oder Mann oder Greis tun, wie sollte seine Tage bei diesem Übermaß an Qualen er verleben und seinen eigenen Tod nicht wünschen?
Und anstelle dieses meines armseligen Lebens wehte abermals das drängende Bitten des Königs der Dschinne mich an, der nun im Fluss wohnt, schallte aus dem Schnabel und dem Gesang jedes Vogels dieser Ruf, ich möge zu ihm hinab in die Tiefe kommen, denn dies ist, was wir verabredet und was zu tun ich herbeisehne, weshalb nun, tief in der Nacht, ich meine Kleider geordnet und gefaltet und Abschied genommen von dem Zimmer, das ich geliebt, einen letzten Blick auf das kleine Bett warf, das Bett meiner Kindheit, und das Fenster, das sich zum Johannisbrotbaum öffnet, auf die Wände, die gegeneinander sich lehnen wie Bettler, die Schutz vor dem Regen suchen, hier habe meine wundervollsten und liebsten Tage ich verbracht, nicht in Mutters Umarmungen oder mich erfreuend an den Küssen eines unschuldigen Mädchens oder der Freundschaft des guten Engels, sondern hier mit meinen Freunden, die allein auf den Seiten wohnen, Raschid und Laila, und ihren Freunden und den Freunden ihrer Freunde, auf dem Papier beschriebene Gestalten mögen sie sein, die keine Seele haben, aber in meinen Augen leben und atmen und lieben sie mehr als jede andere Kreatur auf diesem Erdenrund, und ich roch am Ledereinband der Bücher, sog tief den guten, geliebten Duft meines Tagebuches ein, das über so viele Tage ich geführt, schnupperte noch einmal an den Bücherschränken, die jede Wand des Zimmers vom Boden bis zur Decke füllen, und schloss die Tür.
Von dort stieg ich hinab ins Erdgeschoss, zu Mutter, die rasselnd atmend in ihrem Bett aus Exkrementen und Urin badete, und ich küsste ihre beringten Finger und ließ meine Hand durchihr Haar gleiten, um auf immer Abschied von ihr zu nehmen, denn wir beide sind aus demselben Stoff gewirkt, und die Bürde des Lebens ist auch ihr über alle Maßen schwer, und ich dankte für all die Nächte ihr, in denen sie meinetwegen kein Auge zugetan, und bat um Verzeihung sie für meine schreckliche Krankheit, die ihr so viel Sorgen und Leid bereitet, bis auch sie den Verstand verloren, und Trauer überkam mich, weil ich bereits wusste, was Mutter niemals würde wissen, dass nämlich ihr bestimmt, sehr alt zu werden und all diese Jahre an ein armseliges und schmutziges Bett gefesselt zu sein, ohne dass jemand an ihrer Seite wäre.
In Mutters Gemach, das ganz im Halbdunkel lag und nur von einer einsamen Laterne beleuchtet ward, ging ich zu ihrer Hochzeitstruhe, in der ihre Aussteuer sie bewahrte und all die anderen Schätze, die sie aus dem Hause ihrer Eltern mitgebracht, und dort, zwischen alten Stoffen und Kissen und Decken, fand ich ihr blütenweißes Brautkleid mit seinen aufgesetzten Fransentaschen, ein Hochzeitskleid, das für ein Mädchen von höchstens zwölf Jahren geschneidert war, der Saum verziert mit gestickten Puppen in kräftigen Farben, und behutsam legte ich meine Kleider ab und schlüpfte in das Kleid, und Mutter röchelte und setzte plötzlich in ihrem Bett sich auf, als hätte sie mich und mein merkwürdiges Treiben bemerkt, und jubelnd rief ich ihr zu: «Sieh nur, Mutter, ein Wunder ist mir geschehen», denn die Ärmel dieses wundervollen Kleides und sein schmaler Schnitt passten genau für meinen kleinen Leib, und ich drehte mein Haar auf und malte mir die Lippen an und stand dort in meiner ganzen Schönheit, an meinem Freudentage, und aus dem Garten des Gutshauses konnte fröhlichen Gesang und das Spiel einer Geige und einer Oud ich hören, denn dies war das Lied für die Braut und den Bräutigam am Tage ihrer Hochzeit, und ich sah aus dem Fenster und wähnte die vielen geladenen
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