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Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alon Hilu
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einem hölzernen Gestell. Über allem hing die muffige Ausdünstung eines Raumes, dessen Fenster noch niemals geöffnet, der modrige Geruch hölzerne Schiffe, und Halbdunkel umgab und verhüllte alles.
    Ich wartete wohl zehn Minuten, alsbald zwanzig, doch niemand kam in das Kämmerchen, in dem ich allein zurückgelassen. Ich ließ keine weiteren fünf Minuten verstreichen, ehe ich mich erhob und zu der niedrigen Tür ging, die ins Innere des Hauses führte, und als ich diese geöffnet, fand ich mich in einer Art langem und schmalen Korridor wieder, ausgelegt mit alten, staubig roten Samtbahnen, die Wände behängt mit allen möglichen Arten von Dolchen, Speeren und Schwertern, und kein Sonnenlicht oder Kerzenschein, die totenstille, bleierne Dunkelheit zu vertreiben.
    Der Gang endete an einer weiteren Holztür, höher als die vorherige, und da ich diese geöffnet, stand ich in einem geräumigen Foyer, dessen Boden von dicken, alten, farbig bestickten Teppichenin mehreren Lagen bedeckt war, eine über der anderen, die den Staub und Dreck vieler Jahre trugen. Die Fenster waren sämtlich von doppelten Vorhängen verdeckt, die schwer einer hinter dem anderen hingen, und kleine Schemel, Tische und Strohmatten standen dort in großem Durcheinander verstreut, ohne Liebreiz und ohne Pracht. Ich schnupperte, derweil sich meine Seele verwundert fragt, wer wohl der Besitzer dieses Gutes sein mochte, und welchen Grund es gab, dass er derart nachlässig seinem Unterhalt nachkam, warum die Obstbäume im Schlamm staken, ihre Blätter zu Boden fielen und ihre Früchte verfaulten, warum das prachtvolle Haus in Zwielicht und Stickigkeit gefangen, als sei es aller Liebe des Menschen und aller Lebenskräfte verlustig gegangen.
    Noch stand ich dort, da gewahrte ich mit einem Male die Gestalt des schwachsinnigen Jungen, der lautlos und langsam die innere Treppe des Hauses hinabgestiegen kam, vom oberen Stockwerk ins untere, wobei er mich die ganze Zeit unverwandt anblickte, seine traurigen Augen in derselben Weise auf mich gerichtet, wie bei unserer ersten Begegnung auf dem Markt der Geldwechsler, und gleich jener Begebenheit stieg ihm auch jetzt eine zarte Röte in die Wangen, wie die einer nervösen Jungfrau in Erwartung ihres Freiers.
    Als er bei mir angelangt, senkte er den Blick und flüsterte: «Du bist der Jude.»
    Sein Stimmchen war still und dünn wie das eines gebildeten Fräuleins, indes aus der Art, in welcher der Junge seine Worte in der französischen Sprache artikulierte, dünkte mich, ich hatte mich in ihm getäuscht und dass er mitnichten schwachsinnig war.
    «Der bin ich», sagte ich zu ihm.
    Er sagte: «Viele Tage habe ich deines Eintreffens geharrt», tat den Schritt, der uns trennte, und fiel mir, zu meinem allergrößtenErstaunen, um den Hals und umfing meine Hüften in einer langen, kräftigen Umarmung. Da ich ihm erlaubte, mich dergestalt zu umarmen, rannen Tränen über seine Wangen, und mich erfüllte großes Befremden ob des Gebarens dieses Jungen. Auch wenn er nicht schwachsinnig sein mochte, so gewisslich doch verwirrt, was vielleicht der Grund war, dass mein Pferd vor dem Tore geschnaubt und gewiehert und alle Welt schlecht von diesem Anwesen sprach.

    Aus dem Nebenzimmer ruft mich die gnädige Frau, ihr zu Hilfe zu kommen. Ich werde hernach weiterschreiben.

    Jetzt weiß ich den Namen des guten Mannes, des Engels, denn der Engel Gabriel ist er, und nicht aus meinen Träumen oder meinen Phantasien weiß ich dies, sondern weil er wie ein himmlisches Wunder als Mensch von Fleisch und Blut in meinem Haus erschienen, seine Füße den Boden meines Hauses berührt, sein Atem sich mit der Luft unseres Anwesens vermischt, sein Schweiß sich verflüchtigt unter dem Blattwerk des Johannisbrotbaumes. Hier hat er gestanden, hier gesprochen, hier seinen Rücken gekehrt, so lang währte unsere Begegnung und zugleich so kurz, von jetzt an und in alle Ewigkeit werd ich des Tags und des Nachts in meinem Zimmer sitzen, wie ein Vögelchen, das sein Nest über vielen Wassern errichtet, und mir jede Einzelheit in Erinnerung rufen, wie er plötzlich erschienen, wie ein Sonnenstrahl, der die Finsternis einer verlassenen Höhle zerteilt, wie er einfach gesagt: «Hier bist du, Salach, warum hältst verborgen du dich vor mir?», und wie ich ihn mit dem allergrößten Erstaunen, mit Scheu und unbändiger Freude angeschaut, da er mich ansahund mir sagte: «Der Tage viele habe ich gesucht nach dir, Salach», und ich ihn ungläubig

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