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Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alon Hilu
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näherte mich abermals dem Tor.
    Ein angenehmes, schattiges Halbdunkel bot sich meinen Augen, als ich das Tor aufgeschwungen und hindurchgeschritten war. Ganz allmählich nur gewahrte ich das Anwesen, das in ebendiesen Halbschatten gehüllt lag, zu dem sich eine Art süßer Traurigkeit gesellte, wie die eines alten Menschen, der über sein vertanes Leben nachsinnt.
    Das ganze Gut war von Obstbäumen in großer Zahl bestanden, die sich indes über die Maßen bedrängten und zwischen denen Unkraut wucherte. An den Bäumen hingen saftige, in allen Farben glänzende Früchte, doch viele der Früchte hatten Fäulnis angesetzt und noch mehr waren überreif zu Boden gefallen, verrotteten in brackigen Pfützen oder fielen Myriaden von Fruchtfliegen zum Fraß. Neugierig ging ich auf die Knie, mir eine gute Handvoll Erde zu greifen und ihre Güte zu untersuchen. Die Krumen ließ ich durch die Finger gleiten, zerteilte sie und führte sie schließlich zur Nase, um daran zu riechen.
    Mir ward eng ums Herz vor Neid.
    Der Boden des Maison Rajani war üppig und fruchtbar, von vorzüglichster Qualität, besser als alles, was ich je im Lande Zion erblickt. Sogar die Würmer, die ich darin gewahrte, waren dickbäuchig und träge, räkelten sich vor Vergnügen.
    Ich erhob mich, das elegische Gut einmal abzuschreiten. Zwischen den Bäumen fand ich Kanäle und Bewässerungsgräben in großer Zahl, deren viele verstopft und versandet, andere brackig und modrig, doch in jenen, die noch intakt, strömte frisches, erquickendes Wasser. Ich hielt Ausschau nach der Quelle, aus der sie gespeist, bis ich zu einem alten Brunnen gelangte, gesetzt aus verwitterten, abgenutzten Steinen, und daneben ein tiefes Reservoir,bedeckt von einer dicken Schicht grüner Algen, Wasserlilien, blütenweißer Rosen und anderem ersprießlichen Pflanzenbewuchs. Ein altes, traurig dreinblickendes Maultier stand dort an eine Winde geschirrt, um Wasser aus dem Brunnen zu befördern, doch zu ebenjener Stunde gönnte es sich eine Rast, kaute eifrig Klee und verscheuchte einen Schwarm Fliegen, der seinen Schwanz und seinen Kot umschwirrte.
    Der Pfad, auf dem ich schritt, führte, sich schlängelnd und windend, zu einem ansehnlichen arabischen Haus, das wohl ein- oder gar zweihundert Jahre alt sein mochte. Die Pracht seiner Vergangenheit war unverkennbar. Eine feudale, halbrunde Veranda erstreckte sich vor dem Eingang, verziert mit bemalten Fliesen und darauf arabische Buchstaben. Die meisten waren mit den Jahren abgewetzt und verblichen, ihre wunderschönen Farben jedoch ließen noch immer ihre einstige Glorie erahnen. Von der Veranda führten drei marmorne Stufen zu einer ziselierten und beschlagenen Eingangstür, auf welcher die Risse der Zeit grünliche Flechten hatten sprießen lassen. Über der Tür wölbte sich, eingelassen in den Sandstein, eine Art breiter Bogen, über dem das zweite Stockwerk sich erhob, das mit breiten, hohen europäischen Fenster aufzuwarten hatte, die von innen mit schweren Vorhängen verhängt waren.
    Über allem hing ein Schleier aus Mysterium und Trauer, als sei das Anwesen im Gang der Geschichte und ihren Zeitläufen dem Vergessen anheimgefallen, da seine guten Bäume und gepflegten Gärten verwildert waren, ein Eindruck, der sehr verschieden war von dem lebhaften, welchen die junge und verführerische Herrin dieses Anwesens auf mich gemacht, deren grüne Augen zu jener Nachmittagsstunde in der Gasse der Geldwechsler in Jaffa meinen Körper hatten verschlungen.
    Da ich mich dem altehrwürdigen Gutshause näherte, trat mirmit einem Mal ein altes, bösäugiges Weib entgegen und rief mich in heiser geflüstertem Arabisch an. Ihr gezischtes Krächzen ließ mich verstehen, ich solle ihr nachgehen, und schon umrundete sie das Haus von seiner Rechten, bis wir einen Hintereingang erreicht, der jedem Blick verborgen zu einem kleinen, engen und dunklen Kämmerchen geleitete, dessen Tür ich aufstieß, in Erwartung, dahinter endlich die grünäugige Frau zu finden.
    Die greise Araberin schlüpfte durch eine kleine, niedrige hölzerne Tür ins Innere des Hauses, derweil ich, auf ihr Geheiß, in der schmalen, dürftigen Kammer zurückblieb, die den dort befindlichen Habseligkeiten nach die Behausung der Dienerin darstellte. So wurde ich dort einer großen hölzernen Kiste für Kleider und Hemden ansichtig, einer Schlafmatte, eines Schemels, darauf ein gezahnter Kamm und eine Schale mit Wasser, sich das Gesicht zu waschen, sowie eines Waschzubers auf

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