Das Haus der Rajanis
Bewandtnis es mit dem Billett, dieser Frau und ihrem Sohn habe, und sie sagten mir, die Familie lebe auf einem abgelegenen und einsamen Anwesen, das alle Welt aufzusuchen fürchte.
Zu ebenjener Stunde waren Salim und Salam in inniger Umarmung einander zugetan und küssten einer des anderen Lippen in anrüchigster Weise, eine Flasche Branntwein in der Hand.
Sie sagten: «Willst du, dass wir weitere Nachforschungen und Erkundigungen anstellen, dann gib uns einen Vorschuss von zwei Franken und einem halben.»
Ich sagte: «Verratet mir zunächst, warum alle Welt fürchtet, das Anwesen aufzusuchen.» Als zweistimmiger Chor berichteten sie mir von Gerüchten, welche Pferde- und Maultiertreiber verbreitet, der böse Blick liege auf dem Anwesen, und alle nur erdenklichen Dschinne und Dämonen wohnten zwischen seinen Bäumen, doch mehr als dies würde ich nur gegen ein Bakschisch zu hören bekommen. Ich erwiderte, dies sei bloß dem übellaunigen Gewäsch und der Niedertracht des arabischen Pöbels geschuldet und dass ich nicht die Absicht hegte, mir solches anzuhören, geschweige denn dafür zu bezahlen.
Damit überließ ich die beiden sich selbst.
30. September 1895, Neve Shalom
Mein Herz brennt und bebt noch immer von den Ereignissen dieses Tages, die mir auf dem Anwesen widerfahren. Die Stunde jedoch ist bereits sehr vorgerückt. Ich werde morgen meinen Rapport zu Papier bringen.
1. Oktober 1895, Neve Shalom
Es ist dies die Abfolge der Ereignisse, die mir am gestrigen Abend auf dem Landgut widerfahren, vom ersten bis zum letzten. Ich werde versuchen, nicht die kleinste Begebenheit auszulassen oder zu verschweigen. Zu diesem Behuf bringe ich sie nun zu Papier, ehe sie aus meiner Erinnerung entfleucht und von dem Abgrund des Vergessens verschlungen.
Gestern zu der festgesetzten Stunde machte ich mich auf den Weg zu der arabischen Frau und ihrem kranken Jungen, die mich zu treffen begehrt. In unserem eigenen Hause war die gnädige Frau just damit befasst, einen arabischen Ehrenmanne (in der hiesigen Sprache
Effendi
geheißen) von seinem faulen Zahn zu erlösen, in ebenjener Klinik, die sie sich eingerichtet, sodass ich meinen Hut nehmen und behände und unbemerkt aus dem Haus auf die Straße zu schlüpfen vermochte.
Von Neve Shalom ging ich zu der Eisenbahnstation unweit unseres Hauses, von dort weiter die Straße der Juden hinab bis zum Platz und betrat an der Wegkreuzung, die nach Jerusalem führt, einen bei den Chowewei Zion beliebten Gasthof, genannt
Khan Manouli
.
Die Wirtin, eine bäuerliche, grobschlächtige Person namens Srurika mit kurzen, dicken Fingern, ein rotes Schnäuztuch um den Kopf gebunden und Geldgier in den Augen, ärger noch als die von Salim und Salam, vermietete zu einem Wucherpreis mir einen müden, abgeschundenen Klepper, den ich flugs bestieg und ihm kräftig die Fersen gab, um ihn anzutreiben und im Galopp gen Norden zu lenken, dem Landgut der Rajanis zu.
Ich nahm den gewundenen Pfad, der parallel zum Wadi Musrara gelegen, bis zu dessen Ausläufern, wo man der Häuser der deutschen Kolonie Sarona gewahrt. Hochgestimmt ritt ich den lahmen Gaul, denn vor meinem geistigen Auge sah ich schon die laszivlippige Araberin nackt auf ihrem Bette liegen, sah mich meinen Kopf zwischen ihren bronzenen Brüsten vergraben und sie erkennen.
Unterdessen ich auf Srurikas traurigem Araberhengst erwartungsfroh dahinschaukelte, wurden die Obstgärten und Zitrusplantagen immer dichter, üppiger und grüner und begannen, die Sandsteinhügel auf der westlichen Seite des Wadis zu überziehen. Der Weisung gemäß, die ich von Salim und Salam erhalten, lenkte mein Ross ich auf einen schmalen Pfad, der einen der Hügel umging, ein wenig nördlich der Häuser der Deutschen, bis ich vor einer stachligen Hecke angelangt, einem auf das höchste unattraktiven und unerquicklichen Gewächs, von den Arabern
Sabras
genannt, wo sich ein verschlossenes Tor erhob mit einem Schild daran, auf dem in der arabischen und in der französischen Sprache die Worte prangten: «La Maison Rajani».
Auf meinen früheren Reisen zu den Kolonien von Chadera und Kfar Saba und zu den Kolonien Galiläas war ich gewisslich manches Mal schon an diesem Pfad vorübergekommen, hatte aber niemals dort gerastet oder ihm Beachtung geschenkt. Nun machte ich das Pferd mit seinem Zaumzeug fest und ging, dasTor zu öffnen. Als ich den Riegel zur Seite schob, begann der Gaul lauthals zu wiehern und stampfte mit den Hufen. Ich verknotete ihn fester und
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