Das Haus der Rajanis
kühlen, sollten nur wenige Stunden verstreichen nach dem flammenden Streit, der zwischen uns ausgebrochen, und schon kam sie hinauf in mein Zimmer und machte ihr Verbot ungeschehen, sagte, sie habe die Sache noch einmal überdacht, nachdem sie sich mit Amina beraten, und dass sie mir erlaube, mich erneut mit dem Ausländer in meinem Zimmer zu treffen, allein dass kein fremdes Auge uns sähe, denn der Schandzungen und Tratschmäuler gäbe es viele unter uns, auf jeden Fall, wenn eines Tages ihr Gatte und mein Vater von fernen Meeren zurückgekehrt, müsste ich ihr schwören, ihm nicht mit einem Wort von diesem meinem neuen Freund zu erzählen, denn die Eifersucht des Gatten und Vaters lodere in ihm und könne leicht alles zerstören und verderben.
Ich versprach ihr alles, worum sie gebeten, und einander umfangend standen wir in meinem Zimmer. Sie fragte, ob ich nicht hinaus in die Herbstluft wolle, meine Lungen mit der Seeluft und den Winden zu füllen, die schon bald stürmisch und ungestüm würden, und schlug mir vor, in die Weinlaube zu kommen und bei ihr zu sitzen, während sie Rosenblüten und Rosen auf linnene Tischtücher stickte, wie sie es alle Tage zu tun pflegte, doch ich beeilte mich, ihre Bitte abzuschlagen, da ich es vorziehe, in meinem Zimmer zu sitzen und weiter über meine Geschichten und Verse zu sinnen.
19. November 1895, Neve Shalom
Möge mein Tagebuch mir verzeihen, dass ich es vernachlässigt. So ist der Weltenlauf, es kommen glückliche Tage und man vergisst das Schreiben. Wie könnte ich da hocken und über das Sinnen meines Herzens brüten, da das Leben selbst, schäumend und sprudelnd, stürmisch vor der Türe des Hauses wartet, auf dass die Wurzel seiner Essenz gekostet?
Die Tage des verstrichenen Monats sind von guter, einfacher Natur gewesen, da ich auf dem Landgut ein und aus gegangen und viel Plaisir daraus gezogen. Eine liebe Angewohnheit ist mir geworden, bei meinem Eintreffen am Tore zu pfeifen, worauf Salach sogleich stets erscheint, wie ein treuer Hofhund, mit dem Schwanze wedelnd, und mich mit geröteten Wangen und gesenktem Blicke begrüßt. Anzusehen ist ihm, dass er meine Gegenwart über alle Maßen genießt. Und auch ich ziehe manchen Genuss aus meinen Besuchen auf dem Anwesen.
Ganz allmählich habe ich mich mit diesem Jungen, seinemLeben und seinem Betragen vertraut gemacht. Ihm ist keine Schuld zu geben an seiner schüchternen Unbeholfenheit, da alle Tage er unter Frauen aufgewachsen, in Gesellschaft seiner Mutter und ihrer grimmigen Dienerin, und niemals Kenntnis von den Wegen des Mannes erlangt. In die Schule schickt man ihn nicht, da er nicht dazu neigt, Gefallen unter seinen Altersgenossen zu finden, weshalb seine Mutter es auf sich genommen, ihn in der französischen Sprache und Algebra zu unterweisen, und die Dienerin ihm als Kinderfrau dient.
Das Fehlen eines Mannes in seinem Leben ist derart augenfällig, dass es zum Himmel schreit. Eine jede seiner Taten dem Schatten und der Gestalt des Weibes folgt. Anstatt hinauszugehen und sich an den Schönheiten des Landgutes zu ergötzen, seine Erde zu bestellen, in seinen Bassins zu schwimmen, zum warmen, von Wellen aufgewühlten Meer zu laufen, mit den anderen Kindern zu balgen und zu raufen, mit ihnen um sein Land und sein Erbe zu kämpfen, Steine nach Bachstelzen zu werfen und die Schwänze von Katzen zu jagen – statt alldem schließt alle Tage er in seinem Zimmer im oberen Stockwerk sich ein und schreibt Verse und Geschichten.
Ich ging mit ihm auf sein Zimmer, das zum Meere gelegen, doch selbst dort ward der Blick von schweren Vorhängen verwehrt, türmen Bücher sich in großer Zahl zu hohen Stapeln auf, und allüberall regieren die Papiere des Jungen mit seinen von Hand geschriebenen Poemen und Geschichten. Salach schreibt auf Arabisch, sodass ich nicht zu lesen vermag, was er verfasst, und er überdies sich sperrt, mir seine Werke zu übersetzen. Nur dies er fand sich bereit mir zu verraten, dass es seine Absicht, ein Epos über die Beduinen zu schreiben, der all sein Denken und Sinnen mit Beschlag belegt, sodass er Tag und Nacht sich daran müht.
Alldieweil Salach und ich einander Freunde werden, verfolgt seine Mutter unser Tun mit Wohlgefallen, bereitet uns von eigener Hand die prächtigsten Mahlzeiten. Man gehe einmal her und besehe sich die Mahlzeiten der gnädigen Frau, die stets missgestimmt, gewickelt wie ein Bündel Nerven, ihren Gatten auf den Markt der Araber schickt, von deren Erzeugnissen sich
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