Das Haus der Rajanis
das Fell des Löwen. Ich parierte mit Ausflüchten und Ingrimm, bis sie von mir abließ und ich frei war, meiner Wege zu gehen.
Allein der Dschinn, der am Grunde der
Biara
wohnt, lauscht mir schweigend, da ihm mein Angebot behagt, in seine feuchten Arme mich zu betten und unter dem Kräuseln der Wellen und den Blättern der gelben Teichrose zu sterben, und mit seiner heiseren, flüsternden Stimme offenbart ein Geheimnis er mir – der Tod ist nichts weiter als der Beginn eines anderen Lebens, angenehm und kühl in den Tiefen der
Biara
, wo ganze Welten meiner harren, leuchtend und strahlend, wo Dschinnen-Brüder zu Lustbarkeiten sich versammeln, lebende Fische verschlingen und den Nektar der Wasserlilien schlürfen, derweil ich am Rande des Bassins stehe, meine Taschen schon schwer von beleibten Steinen, doch nicht ins Wasser springe ich, um in seine Arme zu kommen, sondern schaue in den trauerverhangenen Herbsthimmel, zu den Wolken, die schwer und grau vom Meer herantreiben, und der Dschinn verspottet mich mit giftigem Lachen, Salach, Salach, ruft er, da ist nichts Wahrhaftiges, was dich auf Erden hält, denn selbst die Geschichten und Gestalten, die du ersonnen, sind deiner überdrüssig.
Im Gewoge der
Biara
offenbaren sich mir Bilder einer Zukunft, die mich manche Nacht um den Schlaf gebracht, sehe ich Krieg und Rauchsäulen, sehe unsere arabischen Brüder um ihr Leben laufen, zu nussgroßen Schaluppen und in die Obsthaine, derweil zurückgelassen im irdenen Herd die Kohlen noch glühen und in den Töpfen die Gerichte blubbernd köcheln, und eine bleierne Traurigkeit legt sich auf meine Schultern ob des Unglücks und der Verwüstung, die diese kopflose Flucht wird bringen, weshalb ich gewisslich besser daran tue, mich in den feuchten Armen des Dschinns zu wiegen, und ich strecke einen Fuß und setze ihn langsam in das Wasser, doch meine Füße stolpern nicht, denn o Wunder, eine verborgene Leiter dort angebracht, die ich noch nie zuvor bemerkt, und kleine Kreise formen sich imWasser, weiten und breiten sich aus, ziehen von dannen, als wollten sie die frohe Kunde von Salachs Ankunft unter den Bewohnern des feuchten Königreiches überbringen, und das Wasser der
Biara
ist warm und wohltuend, umströmt meinen Körper und süßt meine Zunge, derweil freundlich gesonnene Fabelwesen mit Dreizack in den Händen meinen Weg säumen und mir Lächeln und Narretei zuwerfen, denn nur noch eines winzigen Augenblicks bedarf es, ehe mein ganzer Körper untergetaucht, da allein meine Nüstern noch über dem Wasser verblieben und die Luft der halsstarrigen Landbewohner sie atmen, und der Dschinn mit seinen grünen Augen mir zuzwinkert und mich anspornt, noch die letzte Stufe der verborgenen Leiter zu nehmen, mir gewinnend zuwispert, das Wasser tue gut, strotze vor Leben, sein Atem sei überreich und angenehm, ein Augenblick nur noch und ich lasse meinen Kopf unter die Oberfläche gleiten, um in der
Biara
zu versinken und auf immer Abschied zu nehmen von den wenigen Menschen, die mir auf dieser Welt Liebe entgegengebracht, bis mit einem Mal ein Wort, ein einziges Wort mich mit großer, eifriger Stimmer ruft: Salach!
12. Oktober 1895, Neve Shalom
Gewiss hatte ich das Anwesen der Rajanis in guter Erinnerung, doch mein zweiter Besuch dort bestärkte mich in meinem Eindruck von der Schönheit und Pracht des Gutes. Zwar hegen und pflegen seine Pachtbauern es allem Anscheine nach nicht, wie ihnen obläge, und ihre Kenntnisse des Düngens, der Bewässerung und des Beschneidens mit der Baumschere sind fürwahr dürftig, doch das Land selbst ist vorzüglich und sehr, sehr schön,Bassins und Quellen plätschern dort, ein reizendes Flüsschen fließt daran entlang und eine hübsche Frau gebietet darüber – was mehr könnte ein Agronom sich wünschen, was mehr ein Mann begehren?
Ich sagte mir, ich werde hingehen und mit dem gestörten Jungen sprechen, werde einen Pfad in sein Innerstes finden, denn wenn erst die Fasern seines Herzens mit denen des meinen verknüpft, wird auch die Liebe seiner Mutter folgen, werde fürderhin ich sie mit Schmeicheleien und süßen Gefälligkeiten dazu bringen, mir zu Willen zu sein.
Gehobener Stimmung schreite ich aus, öffne schon das Tor des Anwesens und trete ein in das geliebte Halbdunkel, und siehe da, dort ist der Junge, Salach mit Namen, am Rande des modrigen Bassins steht er und blickt trübsinnig und niedergeschlagen drein, wie ein Mensch, der die Tiefe des Wasser zu ergründen sucht, um sich
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