Das Haus der Rajanis
auszubrechen.
Ich wollte ihn diese schreckliche Vision vergessen lassen und so, am darauffolgenden Tag, brachte ich ein Geschenk ihm, das auf dem Zigeunermarkt ich erstanden, eine Art Filzball, der den Kindern beim Spiele dient, den sie mit den Füßen treten und einander damit abwerfen. Salach schaute mich an wie einer, der sein Lebtag noch keinen Ball gesehen, und am Ende zog er sich in sein Zimmer zurück, um über seinen Schriften zu brüten.
Alle Tage dieses Monats ging ich mit dem Jungen, spielte mit ihm und beschied mich in seiner Gesellschaft, ohne von der fidelen Araberin meinen Lohn zu verlangen. Denn ich dachte bei mir, dieser Akt des Gebens und Entgeltens darf nicht pressiert sein. Im Gegenteil, umso später die Kompensation, desto höherder Preis, und nicht nur dies, ich tat gut daran, zuzuwarten und zu sehen, was Afifa mir anzubieten gedächte. Beobachtet habe ich sie, wie sie uns mit den Augen verfolgt, ein seliges, glückstrahlendes Lächeln auf ihren Lippen, da sie die Veränderung zum Guten gewahrt, welche sich an ihrem Sohn vollzieht. Und ich habe festgestellt, dass, da von Salach ich mich verabschiede, sie Wege und Listen sucht, jene Augenblicke zu verlängern, in denen wir in trauter Zweisamkeit uns befinden, nur sie und ich, geschieden von den anderen Bewohnern des Gutes, Seite an Seite.
Heute, ehe wir voneinander uns verabschiedet, sie abermals mit ihrem schwarzen Haar spielte und mir wie unbedacht von einer verborgenen Laube erzählte, die am westlichen Ende des Gutes gelegen, sehr nah zu den Maulbeerfeigenbäumen. Von Weinranken umgeben ist diese Laube und mit Palmwedeln gedeckt. Bei Vollmond die Araberin allein dorthin zu gehen pflegt, da die Jasminblüten des Anwesens ihren zierlichen nackten Füßen zu Pfaden werden.
Etwas, was mir noch nie zuvor widerfahren, nimmt jetzt Gestalt an und wird wirklich und wahr, und dies ist, dass einen Freund ich habe, einen echten Freund aus Fleisch und Blut, der in meinem Hause ein und aus geht, der Geheimnisse mit mir teilt und Spiele spielt, und dieser Freund ist kein rotznäsiger, bitter beseelter Bengel, keines der Kinder, die stets als Rotte eingehen und mich hassen, die mir sonderbare und absonderliche Namen geben, und auch eine aus Worten geschaffene Gestalt ist er nicht, gefangen zwischen den Seiten meines Tagebuches, das in den Tiefen der Schublade sorgsam verschlossen ruht, in den Schattenmeines verdunkelten Zimmers, sondern ein Mann, ein wahrhaftiger Mann, dessen Lachen donnert, dessen Bartstoppeln stachelig und dessen Füße groß und breit, dessen Locken jubilieren und hüpfen wie Schwalben in der Morgenröte, ein Freund, der seine Tage teilt mit mir, der um mein Wesen weiß und vertraut mit all meinen Geschichten ist, dessen Stimme in meinen Ohrmuscheln nachklingt, dessen Geruch sich mir auf Gesicht und Hände legt, dessen Augen meinen Kopf und mein Herz umkreisen, der in allem zugegen, in jeden Kelch gemischt, auf jeder Zunge zergeht, er, mein geliebter Freund.
Zuweilen, wenn die Vorboten des Winters dem plötzlichen flüchtigen Aufflammen einer späten Sommerhitze sich beugen und die Luft auf einen Schlag schwitzend und siedend wird, missachten der Engel Gabriel und ich Mutters Gebote und verlassen das Anwesen, bringe ich ihn zu dem Orte, der mir der liebste, ein Fußmarsch von einer Stunde oder deren zweie gewiss, doch dessen alle Male wert, zu einer hohen Sandsteinklippe über dem Meer, neben dem altehrwürdigen Friedhof, auf dem meine Vorväter ruhen, und dort sitzen wir Seite an Seite, das Antlitz den warmen Winden zugewandt, derweil uns Jaffas geschäftiger Hafen von Süden zuzwinkert und Dampfschiffe von einem Ende des Horizontes zum anderen ziehen, und der Engel Gabriel sein Hemd ablegt und mit donnerndem Lachen und einem Lächeln seiner schneeweißen Zähne auch mich ermutigt, es ihm gleichzutun, um die späte Sonne unsere Haut bräunen zu lassen, ehe die Kälte des Winters Einzug gehalten, doch verstohlen werfe ich einen Blick auf seinen Körper, ein Körper, in den hineinzuwachsen auch mir bestimmt, und wie die Gestade des Meeres werde auch ich Welle um Welle überspült, bin voller Verehrung für diese feine, unsichtbare Linie rasierter Nackenhaare, für den starken Nacken, hart wie ein Baumstamm, die breiten Schultern, diehocherhoben sich dehnen wie die Weiten eines guten und großen Landes, für die Schulterblätter, die gezeichnet wie Hügel aus Muskeln, und von dort senke meine Augen ich auf die langen, kräftigen
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