Das Haus der Rajanis
sich ihm in den Weg stellen, meine Tür in den Angeln kreischt wie ein altes Weib, das seinen Tod herbeiwünscht, in solch dunkler und finsterer Stunde weiß ich, diese schönen Tage werden nicht ewiglich währen, ja tot sind sie bereits, verschwunden und vergangen, als habe es sie nie gegeben, und was bleibt nun, da sich die Nacht herabsenkt, vom Sonnenschein und Licht des Tages, was bleibt außer diesen wenigen Worten in meinem Tagebuch, den Gedanken und Erinnerungen in meinem Kopf, denn die Gedanken werden alsbald vergessen sein und die Worte mich vielleicht ein wenig überleben, doch wie kümmerlich und dürftig sind sie, und wer sollte sich jemals die Mühe machen, sie zu lesen, und auch wenn einer sie läse, ob er sie wohl verstehen könnt, sich könnt ausmalen, was von einer gequälten, liebenden und hoffenden Seele geschrieben? So ist es gewesen, da sind der Junge und der Mann, so sind einträchtig sie ausgeschritten, dergestalt haben sie gelacht, auf solche Weise gehofft, und ist alles verstummt und geendet.
15. Dezember 1895, Neve Shalom
Schlechte Neuigkeiten. Der Mann, der Mustafa Abu-Salach genannt, ist unversehens zurück auf das Gut der Rajanis gekehrt, nachdem er sich ausgiebig seinen Reisen nach Alexandrien und Algerien gewidmet. Ein Telegramm zu schicken, um seine bevorstehende Ankunft zu annoncieren, er nicht für nötig erachtet, sodass just zu jener Nachmittagsstunde, als seine achtunggebietende Entourage vom Hafen eintraf – Mengen von Gepäck und dazu eine Karawane von Kamelen, Maultieren, edlen Rössern und anderen Packtieren, diesem geachteten Mann zum Ruhm und zur Zierde –, ich dem Liebesspiel mit seiner Frau, Afifa, in jener wundervollen, weinbedeckten Laube mich widmete.
Wären da nicht die aufgeschreckten Schreie der Dienerin Amina gewesen, hätte Afifa nicht vermocht, im allerletzten Moment zu ihrem weitläufigen Haus zurückzukehren und auf der ausladenden Veranda vor der Tür des unteren Stockwerks ihren Gatten zu begrüßen, wie es einer liebenden Ehefrau obliegt. Was mich betrifft, so streifte auch ich geschwind meine Kleidung über und flüchtete in den dichten Obsthain, der die Haupttür des Hauses überblickt, und von dort erhaschte einen Blick ich auf einen fetten und aufgedunsenen Mann mit dunklem, von der Sonne gebackenem Gesichte, sein Körper bedeckt von pechschwarzer, dichter Behaarung.
Zu guter Letzt konnt von dem Anwesen ich mich wohl stehlen, doch zurückkehren dahin kann ich nicht, solange der Effendi dort noch hockt. Fünf Tage sind seither verronnen, und ich schmachte danach, die Araberin und das Ansehen wiederzusehen, doch für den Moment ist dieses mir nicht vergönnt. Auf und ab schreite ich in unserem kleinen Haus in Neve Shalom, warteauf einen Brief, eine Note oder ein Lebenszeichen von Afifa, doch kein Wink und keine Spur von ihr.
Was indes die gnädige Frau anbelangt, so fällt sie ausgerechnet jetzt, anstatt ihrem Gatten in dieser Zeit der Unbill beizustehen, mir zur Last, als wollt sie mich hörnen. Sie umschmeichelt mich, bittet, gemeinsame Pläne für die Zukunft zu schmieden, drängt mich, eine neue Behausung anzumieten, größer als die jetzige, da ihre Klinik zu klein und beengt, um ihre arabische Klientel aufzunehmen. Ja, zuzeiten verführt gar sie mich, ihr beizuwohnen, lockt mit ihrer höchst ariden Scham mich. Doch all mein Sinnen und Sehnen gilt der Araberin, ihr und keiner anderen.
Vater, der vorläufig von seinen Reisen zurückgekehrt, ehe er erneut sich wieder wird aufmachen, ist den ganzen Tag geschäftig, mit Mutter zu streiten, und ich, dessen Seele welk, harre hechelnd wie ein Hund am Tor unseres Gutes aus und warte vergeblich auf den, der nicht kommt, weshalb ich endlich zur Tat geschritten und hinab ins Erdgeschoss gestiegen, mich Aminas Kämmerchen genähert, sorgsam darauf bedacht, ihre forschenden Blicke zu meiden, doch Amina suchte nach etwas in ihrer Truhe, sodass ich zuwartete, bis sie sich vornübergebeugt, in ihren Kleidern und Habseligkeiten zu wühlen, um alsdann, da sie den Rücken gekrümmt und ihr riesiges Hinterteil, bedeckt von dem schwarzen, im Alter ausgeblichenen Gewande, die Türöffnung ausfüllte, mich zu meinem Fahrrad zu stehlen, das alle Tage des Sommers vernachlässigt in seinem Winkel gestanden, weil Mutter mir strikt untersagt, darauf zu fahren, und das nun, unter überraschtem Quietschen und Knirschen, auf die lang entbehrte,vergessene Berührung meiner Finger antwortete, als ich mit der einen Hand den
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