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Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alon Hilu
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einen anderen Ort, derweil seiner Nase ein verächtliches Schnauben entfährt, denn ihre Untugenden und Unsitten er längst erkannt.
    Die Pachtbauern sind bereits gewohnt, ihn mit mir auf unserem Anwesen umhergehen zu sehen, und finden nichts Ungewöhnliches daran, im Gegenteil, auch sie sind, wie ich, voller Bewunderung und Dank für den Engel Gabriel, da er in den Königreichen jenseits des großen Meeres all dies studiert, wasüber die Erde zu wissen ist, und zuweilen weist auf ihre Fehler er sie hin und zeigt ihnen einen besseren Weg, die Bewässerungsmulden um die Bäume zu formen oder die Orangenbäume zu beschneiden, und einmal gaben sie ihm gar ein großes, an den Enden spitz zulaufendes Blatt in die Hand, das über und über von gräulichen Maden befallen, worauf er ihnen ein Heilmittel brachte, die Pflanze zu besprühen und Frieden und Prosperität über unser Gut zu bringen, sodass bereits ein Gerücht sich unter ihnen verbreitet und sie sagen, der Engel Gabriel beherrsche die Dschinne und versetze sie in Angst und Schrecken, weshalb bei einer Gelegenheit sie gar ein fieberndes, an den Augen infiziertes Neugeborenes vor ihn brachten und alsbald er dem Säugling die Dämonen allesamt ausgetrieben und ihn zurück ins Leben geholt, und dies ist der Hände Werk eines Engels, meines Freundes, des guten Engels Gabriel.

8. Dezember 1895, Neve Shalom
    Jede Stunde der Dämmerung und des Abends, des Tages und der Nacht verbringe ich auf dem Gut der Rajanis, wo Afifa mit Wohlgenüssen und Verwöhnungen mich umschwänzelt. Da wäre nicht eine arabische Süßspeise oder Delikatesse, die heute sie mir nicht serviert, gleich einer Braut ihrem Bräutigame oder einer Verlobten dem ihr versprochenen Manne, so etwa von Zucker überzogene Nudeln, die
Kadaif
genannt, oder einen orangeroten Teig, gefüllt mit Ziegenkäse und von Zuckermelasse durchtränkt, der
Kanafeh
gerufen, und dies alles in Begleitung des schwarzen und bitteren Kaffees, den die Araber zu trinken pflegen, dessen Körner zuhauf an den Wänden des Glases kleben und in welchenkundige Zigeunerfrauen das Schicksal eines Menschen zu lesen vermögen.
    Auch der Junge blüht auf und ist ständig um mich, sucht meine Gesellschaft. Was mich betrifft, so habe ich begonnen, ihm gegenüber ein wenig Zuneigung zu bekunden, da er der Grund und Anlass dafür, dass in den Armen von Afifa Rajani, seiner Mutter, ich mich erfreue. Die Stunden, die mit einem Manne er verbracht, haben sein Gebaren ein wenig zu verändern vermocht. Schon hat er gelernt, einem Gegner entgegenzutreten und nicht sich zu begeben. Als ich ihm zeigte, wie man einen Stein aufnimmt und ihn gegen den Kopf und Körper von einem schleudert, der einem übel gesonnen, schaute der Junge mich erstaunt an, nahm langsam den Stein auf und warf ihn in die Luft. Auch brach einen kräftigen Ast ich von einem Baume und schälte die Rinde mit einem Zigeunermesser herunter, bis ein guter Knüppel zum Kampfe daraus geworden. Der Junge fügte sich zunächst in das Spiel, doch nach einer Weile bat er, auf sein Zimmer gehen zu dürfen, um ein wenig in seinem Tagebuch zu schreiben. Ich gestattete ihm dies.
    Als die Nacht sich früh herabgesenkt und Afifa und ich endlich allein, Sterne und Grillen über der feuchten Erde surrten und schwirrten, nahm ihre Hand ich in die meine, und wir gingen zu unserer Laube, den ganzen Weg über ungestüme, saftige Küsse austauschend, unbekümmert, als die Tore des Himmels sich auftaten und Wassermassen auf uns niedergingen, unsere Liebe auszulöschen. Doch diese wird niemals verlöschen.

    Mein Schlaf wandert abermals bei Nacht, doch nicht weil Träume meine Seele malträtierten, sondern wegen des Engels Gabriel,und in meiner Einbildungsgabe beschwöre ich all das hinauf, was uns heute widerfahren – da ist er, reicht mir einen aus Stoffstreifen gewickelten Ball zum Spiele, lacht mit mir, an den Türpfosten unseres Hauses gelehnt, nimmt meine Hand und lehrt mich, den Stein zu schleudern und meine Feinde zu töten; da sind wir, reiten auf unsichtbaren Rossen, um die mich hassenden Kinder zu töten; da ist er, schwingt mich hinauf in den Zitronenbaum, auf dass ich mich zwischen seinen Zweigen verberge; da kommt er hinauf in mein Zimmer und lacht vergnügt beim Anblick meiner vielen Geschichten und Verse. Doch wenn des Nachts ich in meine Kissen mich vergrabe, vor dem ausladenden Fenster, und der vom Nahen des Winters kündende Wind in den schwarzen Ästen des Johannisbrotbaumes pfeift, die

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