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Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alon Hilu
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grämlichen Bäumen, die den Friedhof beschatten, Küsse zuwarf.
    Schon hatten die Totengräber den Leichnam in den Rachen der offenen Grube hinabgelassen, Vaters neuen Wohnsitz, sein gewaltiger Körper, die sonnengebräunten Muskeln und sein schwarzer Schnauzbart, dies alles verurteilt, unter Sand und Staub begraben zu werden, derweil die Klageweiber wie ein Schwarm Raben den Himmel erzittern ließen mit ihren schrillenSchreien und das Meer vor Zorn schwieg, alles Stille und Schweigen ward und es schon schien, als sei auch Mutters Wahn nichts weiter als die Überspanntheit der zum Witwenstand verurteilten Frauen, welche auf wundersame Weise selbst sich heilt, doch dann, zum Schrecken aller, hob ihr schallendes Lachen abermals an, ward begleitet nun gar von einem fröhlichen Lied, das Festen und frohen Anlässen vorbehalten, über Bier und Flaschen von Wein, derweil Mutter in die Grube sich warf, als wünschte sie, vereint mit Vater begraben zu werden, doch plötzlich packte ein Ende des Totengewandes sie und war schon in Begriff, es von dem Leichnam zu ziehen, und alle sprangen herbei, sie von der schändlichen, verwerflichen Tat abzuhalten, doch auf Vaters Brust sie fiel, ihre Seele lachend und ihre Augen scherzend. Als ich zurückgekehrt, fand die Türe meines Zimmers ich noch immer verschlossen, sodass ich abermals die Äste des Johannisbrotbaumes erklomm, und nun sitze allein und einsam ich in meinem Zimmer vor meinem Heft, in dem eng geschrieben die Zeilen sich drängen, und schreibe dies alles über sie, und mein Zorn vermischt mit Tränen sich, da ich in Erinnerung mir rufe, wie die Totengräber harsch sie von Vaters Leichnam gezogen und von dem frischen Grabe sie weggezerrt, wie mit erneuten, unbändigen Kräften sie gegen die Männer gekämpft, Kräften, die einer Witwe wie ihr nicht anstehen, und am Rand der Seite füge eine Zeichnung in Schwarz und Grau ich hinzu, von den traurigen Zypressen und Akazien, und zwei Zeilen eines Gedichtes verbinden darüber sich zu einem sonderbaren, schadhaften und unvollendeten Vers.

28. Dezember 1895, Neve Shalom
    Den ganzen Morgen über wogte meine Seele im Sturm der Gefühle nach dem, was sich auf dem Gut zugetragen. Zu ruhen wünschte ich, doch meine Seele fand keinen Frieden. Sogar der Mond vergaß seine Gepflogenheit und zeigte am Mittagshimmel sich, voll und von kräftig violetter Färbung.
    Die Stunden zählte ich eine nach der andern, bis im Westen des Meeres die Sonne in ihr Grab sank und ich zu dem Anwesen ritt. Stille und Schweigen standen unter den Bäumen reich an Zahl, die schweigende Stille des Todesfürsten, der gekommen, seine lebenden Untertanen zu besuchen, seine Forke in ihre fruchtbare, feuchte Erde zu stechen. Schwaches Schluchzen war mit einem Male aus der Ferne zu hören, aus dem Gutshaus, gedämpft und matt, dem ich nachging.
    Ich stieg die Stufen zur Veranda hinauf und stieß die Tür auf, die unverschlossen ich fand, durchquerte das düstere, muffige Foyer und fand Afifa, den Rücken zugewandt mir, im Kabinett, auf ihre blassen Finger starrend, die umeinanderwirbelten und mit dem Ring an ihrer Hand spielten. Beim Klang meiner Stimme, die ihren Namen rief, begann heftig zu zittern sie, wandte den Blick und sagte, Isaac, seufzte bedrückt und bedeutete mir, in einem Sessel Platz zu nehmen, ehe sie neben mich sich setzte, fortwährend ihre Nase in ein besticktes Batisttaschentuch schnäuzend.
    Sie sagte: «Es war ein schreckliches Begräbnis. Ein starker Wind kam auf und stob durch die Reihen der Trauergäste. Als sie in Begriff, den Leichnam meines Mannes in das Grab, das für ihn ausgehoben, zu senken, schien es, als hätte der Wind sich gelegt, sodass ich verleiten mich ließ, näher an das Grab heranzutreten,um einen letzten Blick zu werfen auf den Mann, dem ich in meiner Kindheit angetraut ward, doch noch während ich dort stand, am Rande des Grabes, kam ein Irrwind, ergriff meinen Körper und warf in die Grube mich, wo wie ein Kadaver ich neben dem Leichnam zu liegen kam, der noch warm vom Todesringen, und das Grab war eng und schmal, von allen Seiten durch Erdwände bedrängt, und mein Herz ward erfüllt von Grauen und Beben, Zittern und Furcht bei dem Gedanken, für alle Zeiten eingesperrt, lebendig und atmend unter Sand und Staub begraben zu werden, wie einstmals die Araber, die Söhne der Wüste, ihre neugeborenen Töchter zu verscharren gepflegt, doch der Kadi und die Ältesten eilten, mir die Hand zu reichen und mich aus der Grube zu

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