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Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alon Hilu
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Arme ruhen, die Handflächen dargeboten, auf den Kissen und Matten, und sein mächtiger Schnauzbart, schwarz und dicht, bewegt sich zum Grunzen seines Schnarchens.
    Das Knacken der Treppenstufen unter meinen Füßen ließ Mutter aufhorchen, sie hob die Augen zu mir, und der Schreck färbte ihr das Gesicht weiß, vernehmlich flüsterte sie: «Salach! Zurück auf dein Zimmer!», und Amina beeilte sich, etwas zu verbergen, verdeckte mit ihrem schwarzen Gewand es, und ich sagte, Mutter, ich habe schlecht geträumt, und stieg weiter die Treppe hinab, dem finsteren Schauspiel zu, das nur von denFlammen im Kamin erhellt, doch schon war Mutter bei mir, ergriff meinen Arm und geleitete mich die Treppe hinauf zu meinem Bett, legte eine zitternde Hand mir auf die Schulter, um mich schnell in den Schlaf zu wiegen, und tatsächlich überkam Müdigkeit mich und ließ auf das Laken mich sinken, begrub im Leichentuch der Decke mich, dazu die Blätter des Johannisbrotbaumes mit jedem Windstoß pfiffen und raschelten, als Mutter das Zimmer verließ, die Tür hinter sich schloss und diese verstohlen verriegelte.
    Während meines langen, nachtschwarzen Schlafes legte sich eine sonderbare Stille über das ganze Haus, der Lärm des Regens verstummte, und die Regenrinnen rauschten nicht länger, der Wind pfiff schon nicht mehr, und die Wolken donnerten nimmer in der Finsternis, doch in meiner Brust war eine große Leere, verödete Erde und ein fliegender Spross, da der grünäugige Dschinn tropfend den Tiefen entstieg, um mir sonderbare Schreckensbotschaften zu überbringen, und ein blindes Mädchen, nackt am halben Leibe, mit schwarzen Locken und Armen so dünn, dass zu brechen sie drohten, rief mit brüchiger Stimme mich: «Salach, Salach, rette uns, rette unser Volk», bis auf meinem Lager ich hin und her mich wälzte, diesen ungedeihlichen Schlaf und seine sonderbaren Träume abzuschütteln, mir tröstliche Worte zuflüsterte, bloß Träume sind dies, böse Träume und sonst nichts, und gefasst zurück auf mein Lager fand, um die Worte diese in mein Tagebuch zu schreiben.

27. Dezember 1895, Neve Shalom
    Soeben habe von Afifa ich eine eilige Note erhalten, deren befremdlicher und überraschender Inhalt wie folgt sich liest:
    Mustafa Abu-Salach Rajani ist heute gestorben.
    Tot ist er und nicht mehr.
    Die Witwe R.
    Wie und auf welche Art er sich von dieser Welt verabschiedet, hat unerwähnt sie belassen. Doch aus ihrer Handschrift war zweifelsfrei ersichtlich, dass verstört und aufgewühlt sie sein musste. Auf jeden Fall ist mir zur Kenntnis gelangt, aus dem Munde jener, die im Namen der frommen Pflicht oder des lieben Tratsches unterwegs, dass man den Verstorbenen heute zur Nachmittagsstunde wird beisetzen und Madame Rajani den Trauergepflogenheiten der Muselmanen am Abend Genüge zu tun gedenkt.
    Eine sonderbare Erregung bemächtigt sich meiner angesichts der Bedeutung dieser Umstände und der Rolle, die mir darin zugedacht. Denn dies sonderbare Schicksal ist gewisslich vom Himmel mir geschrieben, den Ländereien der Araber und ihren Frauen meine Aufwartung zu machen. Möglich, dass nun alle Wege und Pfade sich mir aufgetan, auf einen Streich ihrer beider zu erobern, Herr und Besitzer des Anwesens zu werden, das ich so sehr begehrt. Doch welches Ende und welcher Ausgang mögen der Geschichte beschieden sein, die beständig in meinem Tagebuch wird niedergeschrieben? Dies vermag ich nicht zu sagen. Wenn nur seine Seiten ich wenden und vorblättern könnt, um zu entdecken, was im kommenden Tage verborgen, und hinter die Absicht des großen Verfassers in seinem Werke zu gelangen.

    Heut am Morgen weckt Mutter mich mit heftigem Schütteln: «Salach, ein schwarzer Tag! Ein schwarzer Tag ist über uns gekommen!Vater ist tot! Ist bei Nacht gestorben, auf den roten Kissen, sein Herz hat plötzlich ihn im Stich gelassen, seine Tage auf Erden sind vergangen, seine Brauen gesunken.» Noch gefangen im Gespinst des Schlafes war ich, und die trügerischen Bilder meiner Albträume vermischten sich mit ihren schrecklichen Schreien, und ohne mich recht anzukleiden kletterte ich aus meinem Bett und stieg hinab in das Erdgeschoss, wo bereits alle versammelt waren, Mutter, Amina und die Pachtbauern mitsamt ihrer Brut, alle versunken in Trauer und Elegie, die Frauen schrien schluchzend und geißelten ihre Körper mit Reisigzweigen, Mutter riss sich die Haare vom Kopfe, und nur Vater war nicht bei ihnen – wohin war die Pracht seiner Muskeln verschwunden

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