Das Haus der Rajanis
ziehen, die nicht mir bestimmt, da die Parzelle daneben jene, auf der beizeiten mein Grab meiner harrt, um dort zu ewiger Ruhe zu finden.»
Während sie so sprach, kam abermals Wind auf und pfiff durch die Räume des Hauses, rüttelte am Glas der Fenster und blähte die Vorhänge, und von Gram geschlagen schaute Afifa auf ihr Haus und seine Umgebung, und ein Schluchzen brach aus ihrer Brust sich. Ich eilte zu ihr und nahm ihre Hand in die meine, sie jedoch entsagte sich, mich und meinen Körper zu berühren, weinte nur bitterlich, ihr Mann habe sie verlassen und sei gestorben, und nun sei eine einsame Frau sie, allein mit einem großen Anwesen und der Sorge um den einzigen Sohn, den sie liebe.
Ich tröstete mit guten Worten sie, bis sie sich beruhigt und ihr herzergreifendes Schluchzen verebbt, sie vernehmlich ihr rundes Näschen schnäuzte und mit dichten Wimpern ihre wässrigen grünen Augen betupfte, und als nach Salach ich sie fragte, sagte sie, er sei auf ihr Geheiß den ganzen Tag über in seinem Zimmer eingesperrt gewesen und dass sehr traurig und niedergeschlagener sei, sie nach dem Begräbnis zu ihm gewollt habe, um ihn in die Arme zu schließen und zu trösten, indes die Kraft sie verlassen, und nun bete zu Allah sie, er möge ziehen den Stachel der schwarzen Tage, die ihrer harrten, und ihr gewähren, ihre Tage in Frieden und Gefasstheit zu ertragen.
Dann bat um Erlaubnis sie mich, in ihr Zimmer sich zurückziehen zu dürfen, wohin ich sie begleitete, doch ein düsteres, geißelndes Schweigen zwischen uns stand. Voller Trauer verließ das Gut ich, entschlossen indes, dorthin zurückzukehren, die Frau und den Jungen wiederzusehen und ihnen in der Stunde der Not zur Seit zu stehen.
Gegen Abend ermattete endlich Mutters befremdendes Lachen, und ganz allmählich fassten ihre geschwächten Nerven sich, ja sie schickte gar Amina mit einem Krug Wasser und Limonen zu mir, meine trauernde Seele zu erquicken und mich aus meiner verschlossenen Kammer zu befreien, doch ich stieg nicht hinab zu ihnen, sondern war tief versunken in meine Verse und las auf den Seiten meines Tagebuches abermals, was mir selbst widerfahren, und mit einem Mal war mir, als hielten die Zeilen über jene Tage, die vergangen, Geheimnisse verborgen, die ich noch nicht entdeckt, eine Schreckensbotschaft, unsichtbar und verschlüsselt in geheimen Chiffren, als sei dieses Tagebuch klüger als sein unreifer Verfasser, der einfältig dahergeschrieben, oder als flehten die stummen, in kleiner, gedrängter Handschrift geschriebenen Worte, einen großen Schrei zu tun, ihre Sprachlosigkeit zu überwinden, doch sosehr unter ihnen ich auch nach Fährten der Akrosticha, der Abkürzungen oder Buchstabenkombinationen Ausschau gehalten, fand bei meiner Suche ich nicht das Geringste.
Allein einige Saiten erwachten in mir, da ich las, was meine Hand geschrieben, etwa die Verwunderung, da ich dem Engel Gabriel zum ersten Male begegnet, oder die unendliche Freude, als wir gemeinsam unter den Pachtbauern einherschritten, oder die abgrundtiefe, unerklärliche Traurigkeit über die vergehenden Tage des Sommers, und jede dieser Saiten vibrierte ein wenig und ermattete, sodass ich den Stift sinken und meine Gedanken ungezügelt und herrenlos wandern ließ zu seinen goldenen Locken und seinem schönen Antlitz, wäre er doch nur hier in meinem Zimmer, auf meinem Bett, mich Waise zu trösten, ja es verlangte mich danach, dass von neuem er mir Freund und Kumpan wäre, Gefährte und Bundesgenosse, und durch das Fenster tasteten die Strahlen der Abendsonne nach mir, und mit einem Male begriff ich, dass der Engel Gabriel noch immer mich liebte, dass die Erinnerung unserer Freundschaft ihn nicht verlassen und er in seinem Herzen unsere guten Tage bewahrt, und wie schön diese Welt ist, beschienen von den letzten Sonnenstrahlen, wenn auch der Engel Gabriel darauf wandelt, wenn seine nackten Füße in ihren Staub treten, wenn sich sein herber Wohlgeruch mit dem Geruch des Regens und der feuchten Blätter und dem Duft der Zitrusfrüchte vermischt.
Neue Kräfte durchströmten mich, da meine Ohren mich nicht getrogen – es waren Mutter und der Engel Gabriel, die ich vernommen, hier, unter mir, wo sie leise in der Eingangshalle sich unterhielten, mithin, nicht geirrt hatte ich, mein geliebter Freund war zurückgekehrt, mich zu besuchen, und alsbald stieg leise ich die Treppe hinab, um in seine Arme zu fallen, doch das Erdgeschoss unseres Hauses war vom trügerischen Dunkel
Weitere Kostenlose Bücher