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Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alon Hilu
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von einem Telegramm mir, das von ihrer Schwester Rivka sie erhalten und in dem diese den Wunsch dargelegt, das Heilige Land zu besuchen, ja vielleicht gar niederzulassen sich hier, einen Ehemann zu finden und ihm Kinder zu gebären, worauf die gnädige Frau sich in Klatsch und Tratsch erging, in Impertinenzen, müßigem Geschwätz, in ergötzlichen Fragen, die gänzlich ohne Belang, Vorschlägen, Dialektiken und Disputen über die Schale von Eiern, die noch nicht gelegt, gute Ratschläge, wie mein Auskommen als Agronom ich im Lande Israel finden könnt, und allerlei tausend Nichtigkeiten und Gefasel mehr.
    Derweil wir ausschritten, lauscht ich und lauschte nicht, da meine Seele beständig beschäftigt mit dem, was eben jetzt auf dem Gut der Rajanis passiert, in diesen Tagen meiner Abwesenheit. Denn die Zeit der Orangenernte war gekommen, die Früchte auf dem Anwesen hingen reifer als reif an ihren Ästen, doch niemand, der sie zu pflücken sich anschickte. Auch über die Araberin ich sann, über unsere morsche Liebeslaube und unser Liebesleben dort, fragte mich, ob ebensolche Sehnsucht sie nach mir empfand, wie es mich nach ihr verlangte, und von dort trugen meine Gedanken, ohne dass ich es gewollt, mich zu dem nebbichen Knaben, der auf dem Gut seine Tage fristet, und zu seinem bitteren, sonderbaren Schicksal, denn kein Junge wie alle anderen Jungen ist er: Das Leid der ganzen Welt auf seinen Schultern lastet, ja in gewisser Weise ist beinahe ein Jude er, in der Ernsthaftigkeit seiner Rede, der Blässe seines Antlitzes, der Kraftlosigkeit seinerHände, die unfähig gar, einen Ast zu einem Messer zu schnitzen oder einen Filzball zu treten oder ein hölzernes Bötchen in flachem Wasser auf die Reise zu schicken. Derlei Gedanken ich wälzte, als die scharfe, trockene Stimme der gnädigen Frau mit einem Male mein Ohr spliss und fragte: «Hörst du mir zu?»
    «Ich lausche mit größter Aufmerksamkeit dir», sagte ich.
    «Und was habe soeben ich gesagt?», verlangte sie.
    «Du sprachest über das Telegramm deiner Schwester Rivka.»
    Ihre Miene verfinsterte sich. «Dies Telegramm ist längst Geschichte. Ein romantischer Spaziergang fürwahr, doch deine Gedanken sonst wo sind und nicht bei deiner Frau.»
    «Verzeih mir», sagte ich.
    «Diese Bitte um Verzeihung tut nicht Genüge», erwiderte sie, in ihren Augen Blitze und Donner.
    «Wenn nach Hause wir zurückgekehrt, werde Tee und Gebäck ich dir reichen», versprach ich.
    Nun verlor gänzlich sie die
contenance
. «Man trägt einem Mädchen aus Warschau nicht Tee und Gebäck in ihrem eigenen Hause an. Bring mich in ein Kaffeehaus.»

    Schankstuben finden sich wahrlich nicht viele in Jaffa, da die Stadt nun einmal eine muselmanische. Doch an Kaffeehäusern ermangelt es ihr nicht. Die der Araber sind für gewöhnlich gehüllt in den Rauch der Wasserpfeifen und entbehren der Frauen, die der Juden hingegen, in Neve Zedek und Neve Shalom, sind bevölkert von einem bunten Gemisch aus Herren und Damen, die einen mit schwarzen Hüten, die anderen in eleganten Kleidern, und zumeist finden auch ein Klarinettist und ein Geiger sich, die zur Unterhaltung der Gästeschar aufspielen, die Kaffee trinkt und an Likören nippt.
    Der Kaffeehäuser zweie gibt es in Neve Shalom, beide unweitder Bahnstation gelegen. Zur Rechten das Café Armon und zur Linken das Café Hermon, beide einander spinnefeind, weshalb ein Klient, der in das eine geht, seinen Fuß niemals in das andere setzt. Das Armon beherbergt die Mittellosen und Abgebrannten, bankrotte Kolonialisten, schwere Trinker und Glasstierer, wohingegen das Hermon sich besonderer Beliebtheit erfreut bei Kontoristen und Verwaltern, die privilegiert sich dünken.
    Auf Geheiß der gnädigen Frau wandten nach links wir uns und nahmen Platz im gut beleumundeten Café Hermon mit seiner ausladenden Terrasse und der Fassade aus behauenen Quadern, den Herren mit ihren eleganten Hüten und der erlesenen Garderobe, wo angeregte Konversation und verhaltenes, wie Silbermünzen klingelndes Lachen zu hören waren.
    Von dem Augenblick an, da wir unseren Fuß in dies Kaffeehaus gesetzt, hellte sich die Miene der gnädigen Frau auf, waren all meine Sünden und Verfehlungen vergessen. Und da sie wohlgemut sich zeigte, so war ich es auch. Sie bedeutete mir, welcher Tisch der nämliche sei, an dem zu sitzen sie wünsche, und bestellte alsgleich einen
café au lait
sich, wohingegen ich stets den einen oder anderen Likör zu schätzen weiß, weshalb ein wenig ich

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