Das Haus der Rajanis
sodass ein jedes Hexenweib, da es sich dem Leichnam näherte, diesen zu preisen, etwas an sich nahm, die eine seinen Tarbusch, eine andere manch gutes Stück seiner kostbaren Kleidung, eine dritte und vierte seine Ohrringe, Ringe und Armbänder, und alsbald schon begannen sie, untereinander um das Erbe des Toten zu streiten. Afifa und Salach standen derweil dabei, hielten umfangen sich und weinten, und niemand fühlte gemüßigt sich, für Ordnung in dem zügellosen Treiben zu sorgen, im Gegenteil, die Pachtbauern, die den Fortgang ihres Herrn und Meisters gewahrten, beäugten die schönen Vorhänge und gewebten Teppiche, um nach Herzenslust davon zu nehmen, und nur das Schreien und Keifen der Dienerin, die eine Schöpfkelle aus der Küche geholt, welche sie nach ihren Visagen schwang, schlugen endlich die Plünderer in die Flucht.
Jetzt sind in Trauer und Gram sie und bereiten alle sich auf den Trauermarsch und die Bestattung vor. Der Verstorbene soll begraben und seinen Vorvätern anheimgegeben werden auf dem kleinen Friedhof über dem Meer, gelegen auf jenem Sandsteinhügel, der nur wenige Meilen vom westlichen Ende des Gutes der Rajanis entfernt.
Der Mond leuchtete beständig auch an diesem Morgen, doch sein Schein war düster und vexierend, und sonderbare Winde trieben Possen mit den Gegenständen in meinem Zimmer, derweil ich umherlief zwischen den Wänden, von einer Ecke zur anderen schritt, und die Bodenfliesen des Zimmers mich riefen, ich möge mein Leben schleudern auf sie, und aus den rasselnden Atemzügen meines Brustkorbs hallen Mutters Worte der Trauer und Klage, ihr Kleid schwärzer denn schwarz, ihre Augen voller Tränen, über ihre Nichtigkeit ohne Vater spricht in einem fort sie, beschwört ferne und teure Erinnerung herauf, wie er sie einst von ihren Puppen weggeholt und sie zu seiner Gattin und Mutter seines Sohnes gemacht, und dergestalt meiner erinnert hat sogleich Anweisung sie gegeben, mich in meinem Zimmer zu halten, mich von Totengräbern und Grüften fernzuhalten, da meine Seele zu jung und zu zart für die Belange der Toten, weshalb auch bei dem Trauerzug ich soll nicht zugegen sein, und schon hat Mutter begonnen, den Pachtbauern und allen, die kommen und gehen, zu erzählen, Vater sei sehr krank gewesen, entkräftet an Leib und Seele, immer an ihrer Seite ihre getreue Dienerin Amina, die wie sie die Haare vom Kopf sich reißt und die Hände ringt, doch ich stehe auf dem Fensterbrett meines Zimmers im Angesicht des schwarzen, vollen Mondes, der am Mittag aufgegangen, und meine Seele wünscht, sich hinabzustürzen, zwei Stockwerke tief, ein wenig in der Luft zu schweben mit meinen jungfräulichen, unsichtbaren Flügeln und dann in den Abgrund eines dunklen, grauen Loches zu fallen und dort den Schlaf der Ewigkeit zu schlafen.
Am Nachmittag indes griff nach den Ästen des Johannisbrotbaumes vor meinem Fenster ich und kletterte hinab, denn obgleich Vater mir nie ein Freund oder Kamerad gewesen, mir niemals durchs Haar gefahren und mir von seiner Liebe gegeben,ward trotz allem ich von Trauer und Leere erfüllt, dass wie ein Hund er krepiert, und über die Gänseschar Weiber, die gekommen, an ihm zu rauben und zu plündern, und aus diesem Grunde schlüpfte aus dem Hause ich, stahl zwischen den Obstbäumen und den wilden Büschen mich voran, Vaters weißes Totengewand mir wie ein Leuchtturm, eine Feuersäule, und weder den Mullahs und Imamen schenkt einen Blick ich noch meinen vielen Cousins, die auf schnellen Rössern aus Jaffa, Nablus und Akko eingetroffen, sondern allein Mutter und ihrem sonderbaren Gebaren, da ihr Gang der eines Narren war, eines Trunkenboldes, so tief war ihr Schmerz, dass Wellen eines abscheulichen Lachens in ihr brandeten und sie ihren Mund mit der Hand bewehrte, ehe diese alle Ufer überschwemmten.
Eine Stunde oder deren zweie später, als der würdevolle Zug den kleinen Friedhof erreicht, an diesem kalten Wintertage, da der Himmel von schwarzen und grauen, regenschweren Wolken verhangen, dass selbst Jaffa in Ehrfurcht und Angst sich verborgen, begann Mutters absonderliches Lachen ihren Körper zu verleiten, in immer neuen Wogen sich zu krümmen, Welle um Welle, bis den Tanz der Berauschten sie tanzte, ihr Lachen immer lauter tönte und der Kadi und der Kaimakan, die gekommen, dem Vater, dem Verstorbenen, die letzte Ehre zu erweisen, erbost und verärgert sich zeigten ob dieses Betragens, und Mutter im Tanz sich drehte, unsichtbare Trommeln schlug und den greisen,
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