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Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alon Hilu
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der Abenddämmerung verschleiert, und die Stimmen sprachen leise und gedämpft, sodass Wortfetzen nur zu verstehen, Worte des Beileids ob Vaters sonderbaren und schnellen Ablebens, Worte derAufrichtigkeit und Güte über die vorzüglichen Eigenschaften des Verstorbenen und über den Hergang des Begräbnisses, und auch mein Name fiel, da nun ein Versteck ich gefunden zwischen den schweren, doppelten Vorhängen, verborgen im Dunkeln, ein Ort, von dem aus ich zwischen zwei Vorhängen hindurchzulinsen vermochte, sein Licht eine Nische, in der eine Lampe, die in einem Glas, und das Glas wie ein hell leuchtender Stern, bei dessen Schein ich vermocht zu erkennen seine große, mächtige Gestalt und die lachenden Augen, die zugleich erfüllt von Trauer und Trost, und Mutter dankte ihm matt, murmelnd, kaum verhehlend, dass noch immer nicht sie seine Anwesenheit in unserem Hause guthieß, ich spitzte die Ohren, doch die Worte kamen verhalten – «Junge», «Salach», «allein», «das Gut» – und waren nicht zu fügen zu ganzen Sätzen, als der Himmel in mir sich verdunkelte, da Mutter abermals in großes Weinen ausbrach, ihr Körper bebte und schwankte und sie rief: «Salach, Salach», und der Engel Gabriel, der wie ich bestürzt ob dieses Wasserfalls aus Tränen war, nahm in seine Arme sie und küsste erst auf die Wangen und dann auf die Lippen sie, und alsbald schritten von dort sie zu dem Zimmer, das Vater und Mutter geteilt, und schlossen sacht und ersprießlich die Tür hinter sich, und nun schlugen der Saiten viele in mir an, da ich nichts von der Freundschaft zwischen diesen beiden gewusst, im Gegenteil, immer waren sie mir erschienen, als verabscheuten sie einander, und nun hatte sein Kuss auf ihre Lippen ein glühendes Mal meinem Körper eingebrannt, stieg die grünäugige Heiserkeit der Eifersucht in mir auf, und schon eilte zum entfernten Ende der Empfangshalle ich, zu einer kleinen, vergessenen Seitentür, von wo aus ein dunkler, finsterer Tunnel zu ihrem Zimmer führt, um alsbald über Möbel und andere Habseligkeiten zu kriechen, die vor Unzeiten dort vergessen, Spinnennetze zerreißend und mich im Staub von Generationen,im Dreck von Dekaden suhlend, bis durch eine verborgene Öffnung ich den äußersten Winkel ihres Zimmers erreicht, und dort, beim matten Licht der späten Abendsonne, auf dem breiten Bett, weiß wie Vaters Totengewand, dort erblickt ich diese Vision, Mutters entblößte, schweißtropfende Schenkel, vernahm ihr tiefes Stöhnen und sah über ihr steigend und fallend, auf und nieder, mit Eile und Fleiß, mit Behutsamkeit und Geschick, die beiden nackten Hinterbacken des Engels Gabriel.

Winter, 1896
1. Januar 1896, Neve Shalom
    Am späten Nachmittag begab zu dem Markt der Araber ich mich, auf dem Duftessenzen sie feilbieten, kaufte schöne Blumen für die gnädige Frau und eröffnete ihr bei meiner Rückkehr feierlich, es sei meine Absicht, auf einen romantischen Spaziergang sie zu entführen durch die Straßen Jaffas, etwas, das schon vor Ewigkeiten ich versprochen und nicht gehalten.
    Die gnädige Frau zeigte sehr erfreut sich über diese Einladung, schloss ihre Klinik, komplimentierte hinaus die Klientel und verließ an meiner Seite das Haus, ihren Arm mit dem meinigen verschränkt und an den Händen weiße Handschuhe. Bei all ihren Makeln versteht die gnädige Frau auf die Kunst der Konversation sich, sodass dem Manne vergönnt, ein gutes Stück Weges mit ihr zu flanieren und einigen Genuss aus ihrer Gesellschaft zu ziehen. Alsbald schritten durch die Deutsche Kolonie wir mit ihren Gärten nach der Art Europas, mit Klee und hohen Bäumen, gesäumt von kleinen gelben asiatischen Blumen, und die gnädige Frau sprach zu mir aus den Tiefen ihrer Seele.
    So echauffierte über ihr Schuhwerk sie sich, das von einer Seite noch prachtvoll und entzückend, von der anderen jedoch bereits abgetragen sei. Noch erregter indes zeigte über eine arabische Näherin sie sich, mit der sie aneinandergeraten, da diese vier
Bishlik
für das Annähen eines Ärmels gefordert, die gnädige Frau jedoch nicht mehr als zwei
Bishlik
zu zahlen gewillt gewesen, bis beide sich um das Kleid gestritten, die eine von der linken,die andere von der rechten Seite zerrend, eine die andere mit Verwünschungen überziehend.
    Die gnädige Frau plapperte in einem fort, derweil wir ausschritten, sprach mir von weiteren femininen Pragmatiken, verlangte bezüglich der arabischen Näherin und der Schuhe meinen Rat und berichtete alsdann

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