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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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einbricht. Ich wußte nie, daß ich an Klaustrophobie leide, hier kommt sie aber durch, schlimmer als bei den meisten anderen ...
    Alice, wann wird es vorbei sein? Wann wird es endlich vorbei sein?«
    So endete sein letzter Brief. Dann hörten sie nichts mehr — für vier endlos lange Wochen.

    »Das muß überhaupt nichts Schlimmes bedeuten«, sagte Frances immer wieder. »Überlege doch nur, wie es da drüben zugeht. Es war ein Wunder, wie schnell und regelmäßig seine Briefe bisher hier eintrafen. Jetzt funktioniert es eben nicht mehr!«
    »Das glaube ich nicht. Andere bekommen auch Briefe.« Alice hatte sich umgehört. Die Zustellung von Feldpost aus Frankreich klappte im allgemeinen recht gut. »Er hat praktisch jeden Tag geschrieben! Warum jetzt nicht mehr?«
    »Ich weiß es nicht. Ich rufe heute noch einmal meine Mutter an, vielleicht hat sie inzwischen etwas gehört.«
    Aber Maureen hatte auch keine Nachricht mehr erhalten, war allerdings deshalb nicht beunruhigt, denn George hatte ihr seit Beginn des Krieges ohnehin nur viermal geschrieben: Postkarten, damit sie wußte, er lebte noch. Der Kontakt zu seinen Eltern war ja gewissermaßen immer noch abgebrochen. Mit ihrem Anruf daheim hatte Frances nur erreicht, daß Maureen sich nun auch noch sorgte. Frances fand, die Stimme ihrer Mutter höre sich anders an als sonst, weniger frisch und kräftig, und als sie nachfragte, erklärte Maureen, die Schwangerschaft mache ihr sehr zu schaffen.
    »Ich werde einfach älter. Früher hatte ich keine Probleme.«
    Später fügte sie hinzu: »Vielleicht kommt vieles zusammen. Der Krieg, das Zerwürfnis zwischen Vater und dir. Weißt du, ich denke jetzt über manches anders. Man sollte nicht soviel Lebenszeit mit Streit und Unfrieden vergeuden. Auf einmal ist alles zu Ende, und man kann nichts mehr wiedergutmachen.«
    Irgend etwas in der Stimme ihrer Mutter beunruhigte Frances. Es klang so ahnungsvoll, was sie sagte und wie sie es sagte. Maureen hatte wirklich Angst. Vor einem Ende. Wessen Ende? Davor, nichts mehr gutmachen zu können ...
    Nun begann auch Frances, immer mehr um George zu fürchten.
    Im August war Rumänien — nach Abschluß eines Paktes mit Rußland — in den Krieg eingetreten. Mitte September wurden in Frankreich von den Engländern erstmals Panzerwagen eingesetzt, womit sich die Möglichkeit ergab, über Granattrichter und Schützengräben einfach hinwegzurollen, und tatsächlich gelang den Engländern ein Vorstoß tief in die deutschen Linien hinein. Der Jubel daheim war groß, viele prophezeiten, die gewaltigen Kettenfahrzeuge würden den festgefahrenen Kampf nun endlich entscheiden.
    Tatsächlich aber erwies sich die Euphorie als verfrüht; wie so oft in diesem Krieg, gab es wieder Probleme mit dem Nachschub, es wurden zu wenig Panzer geliefert, und davon fielen noch eine ganze Reihe bereits auf dem Weg zur Front aus. Die verbliebenen »tanks« reichten für eine breitangelegte Offensive nicht aus. Der kurze Hoffnungsschimmer hatte sich rasch wieder eingetrübt.

    An einem regnerischen Abend Ende September kam Frances von der Fabrik zurück und traf eine in fieberhafte Reisevorbereitungen vertiefte Alice an. Zwei Koffer standen aufgeklappt im Wohnzimmer — was bedeutete, daß es dort praktisch überhaupt keinen Platz mehr gab, an dem man hätte stehen oder gehen können —, und einige Kleider lagen über das Sofa gebreitet, das Frances als Bett diente. Dazwischen balancierte Alice hin und her.
    »Was hast du denn vor?« fragte Frances erstaunt und tastete sich vorsichtig zur Küche, wo sie ihre nassen Überschuhe, die sie im Hausflur ausgezogen hatte, auf einen Stapel Zeitungspapier stellte.
    »Ich habe eine Nachricht erhalten«, sagte Alice, »von Georges Bataillonskommandanten. George ist schwer verletzt.«
    Frances schluckte. »Was?«
    »Er liegt in einem Lazarett in irgendeinem verdammten französischen Dorf. Er ist nicht transportfähig«, erklärte Alice.
    Trotz der schlechten Nachricht schien sie nicht mehr so verzweifelt und mutlos wie in den vergangenen Wochen. Eine schlechte Nachricht war immerhin eine Nachricht. Die Ungewißheit hatte ein Ende. Jetzt konnte sie handeln.
    Frances sank mit weichen Knien auf den Küchenhocker. »Mein Gott«, flüsterte sie.
    »Er hatte meine Adresse bei sich, nicht die seiner Eltern. Deshalb hat man mir geschrieben«, sagte Alice, und es sprach eine gewisse Zufriedenheit aus ihren Worten.
    »Was genau ist denn passiert?« fragte Frances. Sie war völlig

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